Der deutsche Ableger des russischen Senders »RT«

Putins Output

Der russische Auslandssender RT ist seit kurzem auch in deutscher Sprache online.

Diverse Verschwörungstheoretiker, dazu Journalisten und Politiker der Linkspartei mit Faible für die sogenannte Israelkritik, ein ehemaliger DDR-Agent sowie der Autor eines Buches mit dem Titel »Hitlers amerikanische Lehrer. Die Eliten der USA als Geburtshelfer des Nationalsozialismus« – die von dem Blogger Alexander Nabert zusammengestellte Liste der Personen, die in der täglichen Sendung »Der fehlende Part« des vor zwei Wochen in Berlin eröffnet Senders »RT deutsch« interviewt wurden, liest sich, als handele es sich um die Rednerankündigungen einer »Montagsdemo«. Wozu passen würde, dass mit Lea Frings eine Reporterin für das Magazin arbeitet, die bereits mehrfach bei eben diesen Montagsdemonstrationen aufgetreten ist. Einzig der Journalist Olaf Sundermeyer passt nicht so recht ins Bild – zumal er seine Erfahrungen mit dem Sender, der »Gegenöffentlicheit herstellen sowie Medienmanipulation aufzeigen« möchte, in einem Artikel für die FAZ schildert. Der Bericht endet mit dem Rat, dass jeder, »der auf seine journalistische, politische oder wissenschaftliche Integrität Wert legt«, Einladungen des Senders nicht folgen sollte.
Dass der Mitte November neu gewählte Vorsitzende der Berliner Piratenpartei, Bruno Kramm, bereits zweimal in der Sendung zu Gast war, ist bemerkenswert – aus Parteikreisen heißt es, dass er derzeit auch für eine Teilnahme des Berliner Landesverbands der Piratenpartei am »Friedenswinter« wirbt.
RT ist an solchen Veranstaltungen sehr interessiert, der US-Ableger des Senders berichtete beispielsweise selbst dann noch ausführlich von den dortigen Occupy-Demos, als die Bewegung schon längst erlahmte.
Mit Protest-Livestreams hat sich RT zudem ­einen gewissen Ruf erarbeitet. Der Sender macht sich zunutze, dass Menschen, die für ihre Anliegen auf die Straße gehen, sehr empfindlich darauf reagieren, wenn nicht über sie im Fernsehen berichtet wird. Und so wurde in Social Media auch sehr bejubelt, dass die russische Fernseh-Agentur Ruptly im Sommer während der Solidaritätsdemonstrationen für die Geflüchteten an der Ohlauer Straße eine Kamera aufstellte, die die Proteste live im Internet übertrug.
Dass RT dem russischen Staat gehört, interessierte dabei kaum. Dabei ist der Sender Teil des staatlichen Medienunternehmens Rossija Sewodnja (Russland heute). Dazu gehören die Nachrichtenagentur RIA Novosti, der gerade am 10. November in Radio Sputnik umbenannte Auslandsrundfunksender Stimme Russlands (der 1929 unter dem Namen Radio Moskau gegründet worden war ) sowie die RT angegliederte Agentur Ruptly, die ihr Filmmaterial dank staatlicher Subventionen billiger anbieten könne als die deutsche Konkurrenz, wie der Spiegel berichtete.
Der Erfolg von RT ist das Ergebnis akribischer Planung: Wladimir Putin hatte 2013 anlässlich seines live übertragenen Besuchs bei RT im Gespräch mit der Chefredakteurin des Senders, Margarita Simonyan, über die Gründungsphase des Senders gesagt: »Als wir das Projekt 2005 entwarfen, wollten wir einen ›strong player‹ in die internationale Szene einführen, der nicht nur unvoreingenommen über die Geschehnisse in Russland berichten, sondern auch das angelsächsische Monopol auf die globalen Informationsströme brechen sollte.« Den Ausbau des internationalen Angebots lässt sich der russische Staat einiges kosten, nach Informationen der russischen Wirtschaftszeitung RBK daily werden 2015 umgerechnet 263 Millionen Euro an Rossija Sewodnja gezahlt. Ziel ist es, im nächsten Jahr in 34 Ländern und 130 Städten täglich rund 800 Stunden Programm auszustrahlen. Zusätzlich rund zehn Millionen Euro werden in den Ausbau der zugehörigen Nachrichtenagentur fließen.
Die Mischung aus Journalismus, Propaganda, Verschwörungstheorien und Unterhaltung zieht vor allem Zuschauer an, die den etablierten Medien misstrauen und die Putin für eine Art Heilsbringer halten. In einschlägigen rechten wie auch in einigen linken Foren wurde dem Start des deutschsprachigen Programms bereits seit Monaten entgegengefiebert, dort meint man, Kritik an RT sei »vom System« gesteuert und hat entsprechend nur Spott für Journalisten übrig, die den Sender verlassen haben.
Im März 2014 hatte das Medienportal Buzzfeed einen Bericht veröffentlicht, in dem Journalisten von ihren Erfahrungen beim US-ame­rikanischen Ableger von RT berichten. Sie sei von zwei RT-Managern beauftragt worden, nach Deutschland zu fliegen und einen Filmbeitrag zu drehen, der belege, dass das Land ein »failed state« sei, erinnert sich Staci Bivens, die von 2009 bis Ende 2011 für das internationale Programm in Moskau gearbeitet hatte. Auf ihren Einwand, dass der Begriff ganz sicher nicht auf einen wohlhabenden Industriestaat zutreffe, habe man darauf beharrt, dass sie tun solle, was ihr gesagt wird – die Journalistin weigerte sich jedoch. Auch eine Geschichte darüber, dass in Russland nach einigen Gesetzesänderungen durch den damaligen Präsidenten Dmitri Medwedjew kein Alkoholproblem mehr bestehe, habe sie nicht produzieren wollen. »Ich wusste ja, dass das nicht stimmte«, so die Reporterin. Sie habe schließlich einfach genug von »diesem Irrsinn« gehabt, begründete sie ihren Ausstieg. Dabei hatte sie sich 2009, als sie von einem Freund erfuhr, dass RT Journalisten einstelle, noch gefreut. »Ich dachte, der Sender sei vergleichbar mit DW oder France 24.«
Insgesamt seien die Arbeitsbedingungen »eigenartig« gewesen, sagt Bivens. Die Bearbeitung der Beiträge sei zunächst von meist britischen Kollegen und dann noch einmal von russischen Journalisten vorgenommen worden. Andere ehemalige RT-Reporter erzählen von ähnlichen Begebenheiten. Ein Bericht über das Wounded Warrior Softballteam, in dem versehrte Army-Veteranen spielen, sei beispielsweise nie gesendet worden, weil keiner der Protagonisten den Satz sagen wollte, auf den es der zuständige Redakteur abgesehen hatte, nämlich dass sie »im Einsatz für ihr Land verletzt worden seien und als Dank nichts außer diesem Sportteam bekommen« hätten.
RT kann sich gleichwohl nicht über Bewerbermangel beklagen, man setzt gezielt auf junge, noch unbekannte Reporter, die international arbeiten wollen – und die sicher auch durch die überdurchschnittlich gute Bezahlung angelockt werden, die US-Filiale zahlt Berufsanfängern gerüchteweise bis zu 60 000 Dollar im Jahr. Im Sender aufzusteigen, erweist sich jedoch amerikanischen Insidern zufolge als schwierig, denn die wichtigeren Positionen sowohl im Moskauer Hauptquartier als auch in der Washingtoner Niederlassung sind russischen Staatsbürgern vorbehalten. Die deutsche Sektion wird beispielsweise von Denis Truniw geleitet, der zuvor Leiter des Washingtoner RT-Niederlassung war.
Beim deutschen RT-Ableger beschäftigt man anscheinend auch gerne Nachwuchskräfte: Die Nachrichtenseiten von rtdeutsch.com lesen sich nicht wie die News eines seriös recherchierenden Mediums, sondern wie die eines Blogs mit Wutartikeln gegen »die da oben«.
Ein typischer RT-Artikel schildert eher selten stringent das Vorgefallene, vielmehr konzentriert man sich darauf, in oft unbeholfenen Worten die vorliegenden Fakten zu werten. Wie zum Beispiel im Fall des (mittlerweile zurückgetretenen) CDU-Stadtrats von Stendal, Holger Gebhardt, der mutmaßlich nur mit Hilfe von gefälschten Briefwahlunterlagen bei den Stadtratswahlen einen Sitz erlangt hatte. Unter dem Titel »Krasser CDU Wahlbetrug – Von der SED lernen heißt siegen lernen?« fasste ein namentlich nicht genannter Autor holprig formuliert das zusammen, was die Madgeburger Volksstimme über den Skandal berichtet hatte, um dann zum großen Finale zu kommen: »Tja. Vielleicht hätte die CDU nicht so ganz auf Vergangenheitsbewältigung bei Übernahme der DDR-Blockpartei CDU verzichten sollen. Anstatt etwas von der Linkspartei einzufordern, was man selbst nie geleistet hat.« Große Hoffnungen auf eine spätere Karriere bei einem anderen Medium kann sich der RT-Autor allerdings nicht machen: US-Journalisten, die den Sender verließen, berichten übereinstimmend, dass sie anschließend große Schwierigkeiten hatten, andere Jobs zu finden.