Hosen-Rollen

Sie heißen »Sworn Virgins«, und wenn man die Fotos dieser Schwurjungfrauen sieht, denkt man an den Cast eines Quentin-Tarantino-Films, für den Judith Butler das Skript geschrieben hat. Mit Pop und Gender Studies haben die im Albanischen »Burrneshas« genannten Frauen aber nichts zu tun. Die Crossdresserinnen leben in entlegenden Gegenden Albaniens, in der Frauenrechte nichts gelten. Die Burrneshas kleiden sich maskulin, trinken und rauchen und besitzen eine Reihe männlicher Privilegien. Im Kontext von Queernes und Cross-Gendering erfährt die vormals eher von Ethnologen beachtete Tradition der Burrneshas neue Aufmerksamkeit. Eine Reihe von Reportagen über die »Mann-Frauen« sind in den letzten Jahren erschienen. Jill Peters porträtierte die Schwurjungfrauen für das Slate Magazine. 1999 erschien Antonia Youngs Studie »Women Who Became Man« über das vom albanischen Gewohnheitsrecht »Kanun« sanktionierte Rollenmodell und seine Akzeptanz innerhalb einer geschlechterrestriktiven Gesellschaft.
In einem opulenten Bildband hat die Hamburger Fotografin Pepa Hristova Frauen, die als Männer leben, abgelichtet und interviewt. Oft stammen sie aus Familien, in denen es keine männlichen Angehörigen mehr gibt, weil die Väter und Brüder Opfer blutiger Fehden wurden. Weil irgendjemand die Geschäfte des Familienoberhaupts übernehmen muss, dürfen Frauen ausnahmsweise in die Männerrolle schlüpfen – vorausgesetzt sie entsagen der Ehe und jeglicher sexueller Kontakte.

Pepa Hristova: Sworn ­Virgins. Kehrer, Heidelberg 2013, 136 Seiten, 49,90 Euro