Notizen aus Neuschwabenland, Teil 6: Elsässer, der »Friedenswinter« und Pegida

Warten auf die Sturmabteilung

Diese Kolumne berichtet über das Milieu der »Neuen Rechten«. Notizen aus Neuschwabenland Teil 6: Das Verhältnis zu Elsässer, Hogesa und Pegida.

Deutschland steht ein »Friedenswinter« ins Haus und das ist eine Drohung. »Montagsdemonstrationen« von Verschwörungstheoretikern »für den Frieden«, von »Patrioten« gegen »Islamisierung« oder einfach von »Bürgern« gegen Flüchtlingsheime werden zum Massenphänomen. Das diffuse Unbehagen hat den Weg auf die Straße gefunden und artikuliert sich quer durch die politischen Lager. Alte Friedensbewegte, Nationalisten, »Truther«, Putin- und Palästina-Fans finden zusammen.

Kaum jemand personifiziert diese Querfront so gekonnt wie Jürgen Elsässer. Systematisch buhlt er mit seinem Magazin Compact um die Gunst des Milieus, das sich von »Alternative für Deutschland« (AfD) bis Junge Welt gegen die »Verschwörung« von »denen da oben« verschworen hat. Elsässers Anbiederung an rechtsaußen im Kampf gegen die USA, Israel, »das Finanzkapital« und die »Homolobby« blieb nicht ohne Folgen, inzwischen genießen er und Compact beim Fußvolk der Jungen Freiheit einen besseren Ruf, als es deren Redaktion lieb ist. Besonders mit seinem prorussischen Kurs zieht er die Aufmerksamkeit von Lesern auf sich, die die Junge Freiheit als ihre eigenen reklamiert. Selbst der panrussische Mystiker Aleksander Dugin, dessen Pläne eines eurasischen Kontinentalbündnisses in der neurechten Szene ernsthaft diskutiert werden, steht Elsässer gerne Rede und Antwort.
Ein Kampf um die Markanteile war nur eine Frage der Zeit. Jüngst blies die Junge Freiheit zum Gegenangriff und wartete gleich mit mehreren Texten zum »Rätsel Jürgen Elsässer« auf. Der ehemalige Funktionär des Kommunistischen Bundes und Redakteur fast aller linken Blätter, so der Tenor, sei ein politisches »Chamäleon«, dem man nicht trauen könne. Angesichts von Elsässers Werdegang von schrill links nach schrill rechts ist das kein überraschender Befund. Amüsant ist nur, dass eine Redaktion, die sich darüber beklagt, ständig mit ihren eigenen nazistischen Altlasten konfrontiert zu werden, jetzt selbst ein Sammelsurium von Fakten aus Elsässers Vergangenheit aufbietet, um ihr Terrain zu behaupten. Anders geht es auch kaum, denn Compact und Junge Freiheit sind einander sehr ähnlich.
Elsässer hat allerdings die größere populistische Begabung, wie sich an seiner positiven Reaktion auf die Aufmärsche der »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa) zeigte, mit denen die Nationalkonservativen anfangs noch fremdelten. Doch deren Leserschaft war auf staatstragende Distanzierungen nicht gut zu sprechen, Proteste machten eine wohlmeinende Hinwendung zu Hogesa nötig. Bemerkenswert, wie schnell auch von jenen die Sturmabteilung herbeigesehnt wird, die sich sonst als über dem Mob stehend inszenieren. Aufschlussreich waren wie immer die Leserforen, wie hier der Kommentar eines »Konservativen« bei Sezession: »5 000 Mann – aggressiv, gewaltbereit, schlaglustig. Hier lässt sich ›Feindschaft‹ im atavistischen Sinn spüren. Das ist schon eine andere Liga als die üblichen Latschdemos mit ihren paar Hundert braven Teilnehmern. Hier tritt man dem Gegner mit einer Sprache entgegen, die er versteht und respektiert.«

Die nationalkonservativen Bauchschmerzen angesichts der Hools verflüchtigten sich endgültig, als die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida) in die Schlagzeilen kamen. Die Bewegung erhielt von Anfang an Beachtung. Bereits am 28. Oktober, einen Tag nach der ersten »Montagsdemonstration« in Dresden, gab Mitinitiator Lutz Bachmann der Blauen Narzisse ein Interview, die mit dem »Zentrum für Jugend, Identität und Kultur« eine Dresdner Außenstelle hat. Die Pegida wurden schnell zum Gegenentwurf zu den Hools, an denen sich doch zu viele ästhetisch stießen. Pegida konnte zunächst unbemerkt wachsen, während die Öffentlichkeit fasziniert zusah, wie sich die Retter der christlichen Kultur routiniert mit der Polizei prügelten.
Inzwischen werden die Pegida nicht nur durch die Blaue Narzisse unterstützt: Junge Freiheit, AfD und Identitäre blicken begeistert nach Dresden. Die Betreiber der Sezession, Götz Kubitschek und Ellen Kositza, bloggen ausgiebig ihre Erfahrungen. Immerhin ist die Angelegenheit geeignet, alte Denkmuster zu durchbrechen: Das Krawallaufgebot der Hooligans zur Verteidigung des Abendlandes marschierte im Westen, während man in Dresden betont auf Bürgerlichkeit setzt – und auf den »Geist von 1989«. Das war der letzte »Friedenswinter«. Er endete 1992 in Rostock-Lichtenhagen.