Der Unterschied zwischen Rassismus und Antisemitismus 

Soßen trennen

Wer die Mahnwachen und Pegida für »eine Soße« hält, ignoriert den Unterschied zwischen Rassismus und Antisemitismus.

Wer schimpft auf »Systemparteien«? Wer verachtet die »Lügenmedien«? Wer hält sich für die »Stimme des Volkes«? Man muss zugeben: Doppelantworten sind hier durchaus möglich. Schließlich haben die Montagsmahnwachen und ihr »Friedenswinter« sowie die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida) tatsächlich dies und mehr gemeinsam.
Was auch für jemanden interessant ist, für den die Unterschiede zwischen beiden Bewegungen schwer wiegen, ist die Gemeinsamkeit im Sozialcharakter der Demonstranten: Hier zeigt sich die vielbeschworene Zivilgesellschaft mit unverblümter Hässlichkeit. Sowohl Mahnwächter als auch Anhänger von Pegida haben eine konformistische Rebellion empörter, dauerbeleidigter »Menschen aus dem Volk« gegen »die da oben« ausgerufen. Das Aufmucken gegen »die Politiker« und »die Eliten« ist dabei nicht libertär oder antiautoritär. Vielmehr plustern sich diese Gestalten so unerträglich auf, weil die Autoritäten, die sie so fixiert anheulen wie das Hündchen den Herrn, nicht unverzüglich und unmittelbar ihre Wünsche erfüllen. Politiker sind für sie lediglich Vollstrecker des Volkswillens, sie sollen sofort »den Frieden« bewahren beziehungsweise Flüchtlinge ausweisen. Zeigen sich Politiker nicht als direkte Vollstrecker, sondern gehen ihren Amtsgeschäften innerhalb der bürgerlich-demokratischen Vermittlungsmechanismen nach, sind sie für Friedensfreunde und Patrioten »Politmarionetten«, »Lobbyisten« und gekauft sowieso. Ken Jebsen, Führungsfigur der Mahnwachen und leidenschaftlicher Israel-Hasser, hat diese autoritäre und antidemokratische Sehnsucht mit einem schönen Beispiel aus der Vogelwelt in Worte gefasst: »Und die Zugvögel, die schaffen es jedes Jahr nach Afrika. Wenn die das demokratisch organisieren würden, kämen sie nur bis Sylt. Nein, die kommen bestens ohne Demokratie zurecht.« Dafür dürfte er auch in Dresden Beifall erhalten.

In ihren tatsächlichen Anliegen unterscheiden sich beide Bewegungen jedoch erheblich und man sollte sie getrennt behandeln, weil sich in ihnen zwei Erscheinungen zeigen, deren analytische Vermischung zu nichts Gutem führt: der Antisemitismus und der Rassismus. Bei den Mahnwachen und ihrem »Friedenswinter« handelt es sich um antisemitische Zusammenkünfte. Ein Blick auf die dort kursierende Welterklärung genügt: Die USA und Israel bedrohen den Frieden. Die USA werden wiederum, so die Legende, vom ominösen Finanzkapital als letzter Instanz beherrscht. Jürgen Elsässer verdeutlichte vor seinem Bruch mit der Bewegung bei einer Mahnwache, um wen es sich handelt: »Internationale Finanzoligarchie klingt vielleicht ein bisschen abstrakt. Deswegen möchte ich mit Bertholt Brecht sagen: Das Verbrechen hat Name und Anschrift und Telefonnummer. Und man kann doch durchaus einige Namen nennen: (…) die Herren Rockefeller, Rothschild, Soros, Chodorkowski.« Vier Männer aus jüdischen Familien sind demzufolge Hauptverantwortliche für die Kriege und anderen Übel der Welt. Das ist zwar nicht gerade eine originelle Variante des Satzes »Die Juden sind unser Unglück«, bringt aber den antisemitischen Kern der Mahnwachen, den sie auch ohne Elsässer behalten, bestens zur Geltung.

Die Wahrscheinlichkeit, auf einer Pegida-Demonstration Zustimmung zu solchen Ausführungen zu erhalten, dürfte zwar groß sein. Jedoch treibt die Patrioten in Dresden etwas ganz anderes um, nämlich ihr Rassismus. Hierbei zeigt sich aufs Neue, dass Rassisten durchaus für Einflüsse des Zeitgeschehens offen sind. »Schwarzafrikanische Drogenhändler«, »Zigeuner« und »Fidschis« sind nicht mehr en vogue als Objekte einer Hasskampagne, nun ist es »die Islamisierung«. Um was es dabei geht, hat der Pegida-Gründer Lutz Bachmann so formuliert: »Deutschland erwacht, wir werden jeden Tag mehr! Für unser Vaterland, für Deutschland, es ist unser Land, das Land unserer Ahnen, Nachfahren und Kinder, und dafür erheben sich immer mehr Menschen und gehen zum Protest auf die Straße.« Der Kampf für das Deutschtum und der Hass auf alles Undeutsche treiben ihn und seine Anhänger durch Dresden.
Dieser Rassismus mit völkischer Note hat mit dem ideologischen Dunst der Montagsmahnwachen wenig gemeinsam – auch nicht den Ort, an dem er derzeit grassiert. Es ist durchaus bezeichnend, dass Pegida in Dresden so groß geworden ist, während die Ableger im Westen der Republik bisher kümmerlich geblieben sind. Eine rassistische Volksbewegung macht sich also erneut in Ostdeutschland breit. Nicht nur diese Kontinuität, sondern auch den Unterschied zwischen Rassismus und Antisemitismus muss ignorieren, wer Pegida und Mahnwachen für die häufig bemühte »eine Soße« hält.