Jenseits von Klasse und Schicht

Ulrich Beck. Wer sich im Laufe seiner Universitätslaufbahn jemals in ein Institut für Sozialwissenschaften verirrte, kam an ihm nicht vorbei. Wer eine solche Fakultät sogar häufiger besuchte, weil er zufällig Soziologie studierte, dem begegnete sei Name ständig: Ulrich Beck. Im Einführungskurs erzählte ein Professor von einem Kuriosum namens »Fahrstuhleffekt« und malte mit Kreide einen windschiefen Kasten mit nach oben zeigendem Pfeil an die Tafel. »Reflexive Moderne« war ein weiterer Begriff, der durch die Referate geisterte. Überhaupt kamen die Fußnotenapparate all der zähen Hausarbeiten, die man für Mitstudierende durchsah, kaum ohne Beck und sein Werk »Risikogesellschaft« aus, dessen erste Auflage unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl erschien. Genauso viel wie über Individualisierung und ökologische Fragen hatte Beck zu Europa zu sagen. So umstritten er war, zitiert wurde kaum ein anderer deutscher Soziologe häufiger. Am 1. Januar ist er im Alter von 70 Jahren gestorben.   oko
Filmgeschäft
The Interview. Erst sollte er zurückgezogen, dann doch möglichst schnell veröffentlicht werden. Mit Seth Rogens Komödie »The Interview«, in dem es Nordkoreas Diktator Kim Jong-un an den Kragen gehen soll, hat Sony Pictures einen möglicherweise wegweisenden Coup gelandet. Noch bevor der Film in Apples I-Tunes-Store verfügbar wurde, verzeichnete er bereits zwei Millionen bezahlte Downloads im Internet. Über Youtube, Google Play und das X-Box-Netzwerk konnte so ein Umsatz von 15 Millionen Dollar generiert werden – ein Rekord, kein Film zuvor konnte online so häufig verkauft werden. Während die großen amerikanischen Ketten »The Interview« nicht spielen, wird er in 330 unabhängigen amerikanischen Kinos gezeigt und hat bislang knapp drei Millionen Dollar erwirtschaftet. Nicht jeder lässt sich von Anschlagsdrohungen abschrecken. Was diese Zahlen für die Zukunft der Filmbranche zu bedeuten haben, wird sich noch zeigen. An Abgesängen auf die Tradition der Lichtspielhäuser wird es nicht fehlen.   oko
Präzision und Verkaufsgeschick
Atlas. Der Diercke-Weltatlas war immer das älteste und abgegriffenste Buch, das zur Schule mitgeschleppt werden musste. Dass Neuauflagen kaum in den Unterricht vordrangen, kritisierte damals niemand ernsthaft. Den Atlas umgab eine Aura der Unfehlbarkeit, anschaulicher als im Diercke konnte die Härte der Faktenlage nicht gemacht werden. Harper Collins, einer der international größten Schulbuchverlage, stellte nun die Präzision der Geographie erneut unter Beweis. Mit einem Atlas für den arabischen Markt. Und so fuhren Schüler im Nahen und Mittleren Osten mit dem Finger irgendwo bei Jordanien und Syrien über die Karte, um festzustellen, dass es einen Staat namens Israel gar nicht gibt. Gegenüber der britischen Wochenzeitung The Tablet sagte ein Sprecher, der Verlag habe auf »lokale Präferenzen« Rücksicht genommen. Ein Atlas, der Israel beinhalte, sei »inakzeptabel« für die Kundschaft am Persischen Golf. Das Buch sei aus dem Handel genommen worden, die Rest­auflage solle eingestampft werden.   oko
Fingerfertig
Smartphone. Komplett irrig ist die Annahme, all die Menschen in der U-Bahn wischten lediglich zum Zeitvertreib auf ihren Smartphones herum. In Wirklichkeit liefert der auf dem Display dargestellte Inhalt nur den Anreiz, Finger und Gehirn gründlich und spielerisch zu trainieren. Auf ähnliche Weise wie das jahrelange Üben von Violinisten. Das haben Neuroinformatiker der Universität Zürich herausgefunden. Während die Stärke des neuronal durchgefunkten Signals bei Musikern davon abhängt, in welchem Alter sie zum Instrument gegriffen haben, spielte es bei Smartphone-Besitzern keine Rolle, wie lange sie ihr Gerät schon verwendeten. Handygetippe führt damit eher als Debussy-Gefidel zum Funkenschlag im Oberstübchen.   oko