Berlin Beatet Bestes. Folge 273.

Comiczeichner sind keine Krieger

Berlin Beatet Bestes. Folge 273. Tu n’est pas Charlie!

Die drei islamistischen Terroristen, die in der vergangenen Woche in Frankreich 17 Menschen ermordeten, sind tot. Gewonnen haben sie trotzdem, denn sie haben die wichtigste islamkritische Stimme Europas zum Schweigen gebracht. Sie haben die Mutigsten getötet. Die ganze Welt guckt plötzlich auf meine Zunft, die Cartoonisten. Ausgerechnet die unbequemen Anarchisten von Charlie Hebdo werden nun zu Säulen der Demokratie stilisiert. Alle wollen angeblich so sein wie sie, sogar Bundespräsident Joachim Gauck: »Wir werden jetzt nicht zurückweichen. Es wird weitergehen!« Die französische Regierung spendiert Charlie Hebdo eine Million Euro und die Zeitung erhöht die Auflage von 60 000 auf eine Million Exemplare. Aber es wird dennoch nicht weitergehen. Es ist vorbei. Der Terror hat gesiegt. Jetzt regiert nur noch die Angst. Mit ihrem irren Attentat haben die Killer jeden Widerspruch erstickt – so sehr Journalisten und Politiker das Gegenteil herbeireden. Keine Legion islamkritischer Cartoonisten wird in die Fußstapfen der getöteten Zeichner treten. Nicht einer wird das tun.
Wo sollten diese todesmutigen Zeichner auch herkommen? Es ist auch nicht gerade hilfreich, dass in den Nachrichten ständig darauf hingewiesen wurde, dass Islamisten auch die Macher von South Park, einen dänischen, einen schwedischen und eine kanadische Zeichnerin bedroht hatten. Natürlich gab es spontan eine Vielzahl von Betroffenheits- und Solidaritäts-Cartoons. Aber neue, tatsächlich islamkritische Cartoons, wie die von Charlie Hebdo, wird es nicht geben. Vor allem nicht in Deutschland.
Nach der Veröffentlichung der dänischen Mohammed-Cartoons 2006 duckten sich alle mir bekannten deutschen Zeichner weg. Einzig Ralf König produzierte einen heiteren religionskritischen Comic. Alle anderen, die sich jeden Tag ans Zeichenbrett setzen, um ihren Kommentar zur Lage der Welt zu zeichnen, schwiegen. Zeichneten weiter an ihren Graphic Novels über die Nachkriegserfahrungen ihrer Großmütter oder sonst was. Alle hatten Angst. Angst, ins Fadenkreuz der Islamisten zu geraten, aber auch Angst, als islamfeindlich und rassistisch zu gelten. Wir Comiczeichner sind keine Krieger, keine Soldaten irgendeiner Idee. Wir sind fast immer Nerds, die mit krummem Rücken und schlechten Augen schon in der Schulzeit ihre Mitschüler mit Witzzeichnungen unterhalten haben, während auf dem Schulhof Schläger und Tussis über ein Heer von Mitläufern regierten. Schon vor dem Attentat hätten die meisten Zeichner diese Art von blasphemischer Islamkritik als geschmacklos und überzogen empfunden. Wir werden alle zum Maßvollen und zur Toleranz erzogen. Nur we­nige sind bereit, krass zu sein. Und letztendlich kenne ich auch keinen Kollegen, dem die Religionskritik so ein Herzensthema ist, dass er bereit wäre, dafür zu sterben. Darin unterschieden sich die Kollegen von Charlie Hebdo. Vor ihrer mutigen und geradlinigen Haltung habe ich den größten Respekt. Trotzdem muss ich leider sagen: Verlasst euch nicht auf uns Cartoonisten.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.