Eine Razzia gegen Linke in Spanien

Der Server der Pandora

In Spanien fand im Dezember eine Razzia gegen antiautoritäre Linke statt. Verdächtig machten sie sich unter anderem, weil sie ihre E-Mail-Kommunikation verschlüsselten.

»Die Regierung wendet das neue Knebelgesetz an, bevor es überhaupt in Kraft tritt«, kritisierten Aktivisten der Bewegung der »Empörten« die »Operación Pandora« genannte Polizeirazzia vom 16. Dezember in Barcelona, bei der besetzte Häuser, libertäre Zentren und Wohnungen durchsucht wurden. Ohne Beweise wurden 14 Linke verhaftet, ihnen wurde »anarchistischer Terrorismus« vorgeworfen. Fünf Tage zuvor hatte die rechtskonservative Regierungspartei Partido Popular (PP) mit ihrer Abgeordnetenmehrheit das »Gesetz zur Sicherheit der Bürger« verabschiedet, wodurch unerlaubte Protestformen, Verstöße gegen polizeiliche Anordnungen und das Fotografieren von und das Berichten über Polizeigewalt deutlich schärfer bestraft werden.

Dass radikale Linke unter Terrorverdacht gestellt werden, ist zwar nicht neu, wohl aber, dass gegen ganze soziale Bewegungen repressiv vorgegangen wird. Dem neuen Gesetz folgend, das am 1. Februar in Kraft treten soll, hätte sich die gesamte Massenbewegung der »Empörten« durch als kriminell geltende Aktionen konstituiert, entstand sie doch durch öffentliche Versammlungen in über 60 Städten Spaniens unmittelbar vor den Regionalwahlen vom Mai 2011. Nach dem neuen Gesetz sind Versammlungen am Vorabend von Wahlen illegal.
Antisistemas, wie staatsferne militante Linke in Spanien von Polizei und etablierten Medien genannt werden, wurden auch vor Ausbruch der Krise 2007 polizeilich und geheimdienstlich verfolgt. Aber außer Linken im Baskenland, wo durch den bewaffneten Kampf von ETA eine besondere Situation herrschte, und Unterstützern kleinerer bewaffneter linker Gruppen wie der leninistischen Grapo, wurde ihnen nie Terrorismus unterstellt. Das hat sich in den vergangenen Jahren mit der wachsenden Bedeutung und Sympathie für die antisistemas geändert.
Die Razzia vom 16. Dezember verlief wie ein klassischer Anti-Terror-Einsatz. Unter anderem wurde das seit 25 Jahren besetzte Wohn- und Kulturprojekts Kasa de la Muntanya in Barcelona von einem Großaufgebot der katalanischen Polizei Mossos d’Esquadra in den Morgenstunden gestürmt. Computer, Speichermedien, Mobiltelefone, Ausweise der Anwesenden sowie Werkzeug und sogar Spielzeug wurden beschlagnahmt. Zwar wurde keiner der Bewohner des Hauses verhaftet, aber alles konfisziert, was zur Ausforschung dieses in Barcelona bedeutenden linken Zentrums und als mögliches Belastungsmaterial in späteren Verfahren dienen könnte. Neben zwei weiteren sozialen Zentren der libertären Linken Barcelonas wurden über ein Dutzend Wohnungen durchsucht. Von den 14 Verhafteten sitzen zehn weiterhin in Untersuchungshaft, vier haben unter Meldeauflagen Haftverschonung.

Angeordnet wurde die Razzia von Richter Javier Gómez Bermúdez vom in Spanien für Terrorismus und organisierte Kriminalität zuständigen Gerichtshof Audiencia Nacional. Der Vorwurf gegen die Festgenommenen fällt in beide Zuständigkeitsbereiche: Mitgliedschaft in einer »kriminellen Organisation anarchistischer Art mit terroristischem Ziel«, den »Grupos Anarquistas Coordinados« (GAC, Gruppen koordinierter Anarchisten). Während Bermúdez anfangs noch äußerte, es gehe bei der Razzia um die Verhinderung zukünftiger Verbrechen, bemühte er sich nach ­einigen Tagen, von Beweisen zu sprechen. Die GAC seien »ein Zusammenschluss gewalttätiger Gruppen mit terroristischen Zielen«, zitierte er ein Polizeidossier. Es gebe »Dutzende von Indizien für deren ideologische Absicht«, den Staat »zu destabilisieren und den Landfrieden erheblich zu stören« und einen »revolutionären Kampf« zu führen. Letzteres lässt sich auf Internetseiten libertärer Gruppen seit Jahren nachlesen – in öffentlichen Protokollen der GAC, die mit der E-Mail-Adresse coordinados@riseup.net zur Kontaktaufnahme enden. Den Verhafteten wirft Ber­múdez vor, sie hätten alle über riseup.net verschlüsselt kommuniziert. Im Gegensatz zu anderen Providern ermöglicht riseup.net Geheimdiensten und Polizeien keine Entschlüsselung der Userkonten.
Am Dienstag voriger Woche meldet sich der linke Internetdienst aus den USA mit einer Protestnote. »Wir weisen die kafkaeske Kriminalisierung sozialer Bewegungen zurück«, so riseup.net, »die extrem alarmierende Unterstellung, dass der Schutz von jemandes Internet-Sicherheit ein Anhaltspunkt für Terrorismus sei«. In der Solidaritätserklärung heißt es: »Unser Grundrecht auf Privatheit aufzugeben, aus Angst, als Terrorist gekennzeichnet zu werden, ist inakzeptabel.«