Der geplante Neustart der FDP

Verlierer des freien Wettbewerbs

Da es hierzulande kaum noch etwas zu privatisieren gibt, wird der FDP der geplante Neustart nicht glücken.

»Ich freue mich, dass endlich auch das Bürgertum auf die Straße geht«, sprach ein Anhänger des Kölner »Pegida«-Ablegers »Kögida« ins allzu bereitwillig hingehaltene Mikrophon, der sich als Steuerberater vorstellte. Also als jemand, der die Teilnahme an einer rassistischen Demonstration eigentlich nicht nötig hätte, um als Antipathieträger zu gelten, und repräsentativ für jene Wähler stehen dürfte, die der FDP abhandengekommen und nun im Dunstkreis der AfD wiederzufinden sind. Diese Klientel werden die Liberalen – pardon: »Freie Demokraten« möchten sie fortan genannt werden – auch mit dem Versuch eines Neustarts nicht zurückgewinnen, den sie auf ihrem Dreikönigstreffen unternahmen. Es spricht für sich, dass über das traditionelle Partei-Event weniger im Politikteil der Medien denn im Feuilleton berichtet wurde, wo ja immer genug Platz für längliche Abhandlungen über die Symbolik der Farbe Magenta (Süddeutsche Zeitung) oder auch darüber ist, ob der frische Farbtupfer im FDP-Logo nun überhaupt Magenta, Pink oder Lila zu nennen sei (Taz). Unstrittig ist, dass es sich um eine netzhautbeleidigende Kombination von Wellenlängen handelt, die man zudem mit einem Unternehmen assoziiert, dessen erster Schritt in die freie Marktwirtschaft darin bestand, das Geld von Kleinaktionären zu verbrennen. Passt schon.
Auch sonst gibt es kaum noch etwas zu privatisieren, und das ist einer der Gründe für den Niedergang für die Partei des Marktextremismus: Sie hat sich zu Tode gesiegt. Oder genauer, ihre Ideologie, denn in der Umsetzung ihres Programms ist ihr die SPD zuvorgekommen. Für das neoliberale Original blieb schon bei seiner letzten Regierungsbeteiligung nicht mehr viel zum »Deregulieren« übrig. In diesem gesellschaftlichen Klima gedeiht eine Mentalität des Nach-unten-Tretens und des Jeder-ist-sich-selbst-der Nächste prächtig, ebenso wie ein Bürgertum, das zum einen feststellte, dass der freie Wettbewerb auch Verlierer kennt, und zum anderen, dass seine Liberalität nur so weit reicht, wie sein Geburtsrecht auf einen Platz in der Elite davon nicht angetastet wird. Kurz, jene Klasse, die alles daransetzt, dass ihr kostbarer Nachwuchs ja nicht zusammen mit dem der Unterschicht die Schulbank drücken muss, aus Angst um den Wert ihres Eigenheims gegen Flüchtlingswohnheime in der Nachbarschaft klagt und in der AfD ihre neue politische Heimat gefunden hat.
Wüsste man nicht um diesen Zusammenhang von Neoliberalismus und Angstbeißerei, die sich auf dem Wahlzettel und »Pegida«-Demonstrationen artikuliert, könnte man es dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner positiv anrechnen, dass er dieser Klientel in seiner Rede eine deutliche Absage erteilte (nachdem der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki sich tags zuvor noch via Welt den Hassbürgern an den Hals geworfen hatte). Fast schon könnte man da der FDP angesichts der Erfolge ihres evil twin AfD hinterhertrauern; allerdings nur, bis man sich wieder erinnert, dass auch der ältere Bruder seine bisherige Rolle als Arschlochmagnet unter den Parteien nicht grundlos innehatte.