Kritik und Lüge

Ein Unwort macht sich in Deutschland breit: »Lügenpresse«. Vor allem die Pegida-Unterstützer haben diesen Stempel der Verachtung »Wir sind das Volk«-tauglich gemacht, skandieren ihn auf ihren Demonstrationen. Und machen so brüllend deutlich, was sie von den Medien und ihren Machern halten. Auch in den Online-Foren gehört der Kampfbegriff zum gängigen Repertoire, um Journalisten zu verunglimpfen. Ein Propagandainstrument, früher genutzt von braunen wie roten Diktatoren und Hetzern als ideologische Waffe im Krieg gegen all jene, die nicht auf Linie waren. Der Tenor ist der gleiche geblieben: Was die »Schmierfinken« schrei­ben und die »Journallie« sendet – ein großer Schwindel, ein abgekartetes Spiel, das die Realität bewusst und böswillig verzerrt.
Die Schlacht um die Meinungshoheit ist in vollem Gang. Wieder einmal. Gestern wurde die Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt als russlandfeindlich beschimpft, heute fühlen sich die »Patriotischen Europäer« von »den Medien« als notorische Islamfeinde verunglimpft. Vor allem im Internet hat man sich auf die »Lügenpresse« eingeschossen. Aggressiv und maßlos geht es dort zur Sache. Und auch handgreiflich wird diese »Kritik« zuweilen. Joachim Huber vom Berliner Tagesspiegel hat dieses Phänomen auf den Punkt gebracht: »Zu gerne wird von verschwörungswilligen Ich-Fundis journalistische Leistung geschreddert, während das eigenen Weltbild sturmfest geklickt wird.«
Doch dieser Befund entlässt uns Medienleute nicht aus der Verantwortung. Denn wir haben die Wahrheit nicht gepachtet. Auch uns unterlaufen Fehler, immer wieder und tagtäglich. Dies zu leugnen, sich als Besserwisser aufzuspielen, wäre anmaßend. Journalismus wird mit jeder sachdienlichen Kritik besser, weil wirklichkeitsgetreuer – und damit seinem eigenen Anspruch zumindest in etwas höherem Maße gerecht. Wenn zum Beispiel die gegenwärtige Gewalt im Osten der Ukraine mit Archivbildern russischer Panzer illustriert wird, dann muss das deutlich gemacht werden. Das gehört zum Handwerkszeug und zur Redlichkeit.
Doch bei allen Versäumnissen und Unzulänglichkeiten: Es besteht kein Grund, sich als Medienmacher ständig Asche aufs Haupt zu streuen. Journalisten versuchen in aller Regel, nach bestem Wissen und Gewissen die Welt zu zeigen, wie sie ist. Da wird nicht bewusst verfälscht, nur damit es mit der eigenen Auffassung kompatibel ist. Und selbst wenn es immer wieder behauptet wird: Wir rotten uns nicht zusammen, um etwa einen Bundespräsidenten politisch zur Strecke zu bringen. Es gibt auch, liebe Verschwörungstheoretiker, keine ominöse Macht im Hintergrund, die gezielt und dabei erfolgreich Einfluss nimmt – weder die CIA noch der Mossad noch Mutti Merkel. Wer anderes behauptet, der lügt.