China investiert in Spaniens Fußball

Elefant im Sprint

Mit dem Multimilliardär Wang Jianlin kauft sich erstmals ein Chinese in der Beletage des europäischen Clubfußballs ein. Sein langfristig angelegtes Modell könnte den spanischen, vor allem aber den chinesischen Fußball verändern.

Enrique Cerezo, Präsident von Atlético Madrid, und Klubeigner Miguel Ángel Gil Marín waren Mitte Januar speziell nach Peking gereist, um den Deal mit Wang Jianlin unter Dach und Fach zu bringen: Der Chef der Wanda-Gruppe investiert demnach im Rahmen einer Kapitalerweiterung 45 Millionen Euro und übernimmt dafür 20 Prozent des mit mehr als einer halben Milliarde Euro verschuldeten spanischen Meisters.
Bei Atlético hofft man, dass der Einstieg von Wang Vorteile auf dem wichtigen asiatischen Markt bringt – das Telekommunikationsunternehmen Huawei gehört bereits zu den Clubsponsoren. Und natürlich auch, dass sich der Verein langfristig als dritte Kraft neben Real Madrid und dem FC Barcelona in Spaniens Primera División etabliert.
Wang plane weder, seine Beteiligung zu erhöhen, noch »hat er die geringste Absicht«, das gegenwärtige Geschäftsmodell zu ändern, sagt Großaktionär Gil Marín, der 52 Prozent der Clubanteile hält. Filmproduzent und Vereinspräsident Enrique Cerezo gehören ebenso wie Wang 20 Prozent. Der chinesische Geschäftsmann wird Vertrauensleute in den Aufsichtsrat von Atlético entsenden; eine außerordentliche Aktionärsversammlung muss innerhalb von 30 Tagen, also bis Mitte/Ende Februar, die Kapitalerhöhung billigen. Probleme bei der Abstimmung werden nicht erwartet.
Wang selbst hat versichert, mit der Investition jungen, vielversprechenden chinesischen Fußballern den Weg in die europäischen Ligen erleichtern zu wollen.
Mit der Nachwuchsförderung hatte die Verbindung zwischen Atlético und Wang begonnen, seit 2011 werden von Wang unterstützte chine­sische Fußballer an der Atlético-Akademie ausgebildet. Teil des nun geschlossenen Abkommens ist denn auch der Bau eines Jugendzentrums in Madrid für 30 Millionen Euro und die Errichtung weiterer Fußballschulen in China.
Der 59jährige Wang verfügt dem Wirtschaftsmagazin Forbes zufolge über ein Vermögen von 15,5 Milliarden Euro und gehört damit zu den 50 reichsten Menschen der Welt. Sein Unternehmen, die Wanda-Gruppe, die er gern als »Elefant im Sprint« bezeichnet, ist in wenigen Jahren von einem kleinen Immobilienunternehmen zu einem Firmen-Konglomerat angewachsen, dem allein in China 166 Shopping Malls, 55 Fünf-Sterne-Hotels, Themenparks, Filmstudios und Medienunternehmen gehören. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in den vergangenen acht Jahren betrug sagenhafte 30 Prozent. Seit knapp drei Jahren expandiert die Wanda-Gruppe auch im Ausland; mit der Übernahme der US-amerikanischen Kinokette AMC betreibt man heute sogar die meisten Kinosäle weltweit. »Unser Modell ist es, schnell zu kaufen, hart zu arbeiten und früh fertig zu sein«, so Wang.
Als typischer Magnat hat Wang auch seine eigene Legende. Geboren in einer abgelegenen Gegend von Szenchuan als ältester von fünf Söhnen eines Soldaten der Chinesischen Volksbefreiungsarmee folgte er als 16jähriger dem Vorbild seines Vaters und verpflichtete sich für 16 Jahre. Er machte einen Studienabschluss an einer Fernuniversität, mit Anfang 30 schied er aus der Armee aus und wurde Funktionär in Dalian. Mit Geld, das er sich von einem alten Kameraden lieh, erwarb er Ende der achtziger Jahre ein pleite gegangenes Immobilienunternehmen und baute daraus nach und nach das heutige Firmenimperium. »Ein Selfmade-Man, der den amerikanischen Traum verkörpert, mit Mitgliedsausweis der Kommunistischen Partei, der er seit 22 Jahren angehört«, schrieb die spanische Tageszeitung El País über Wang.
Seine Passion für den Fußball reicht viele Jahre zurück. In den neunziger Jahren finanzierte Wang den Klub Dalian Wanda, gab aber angesichts der weitverbreiteten Korruption im chinesischen Fußball bald wieder auf.
»Ich habe viel Geld investiert. Meine Hoffnung ist, dass die chinesischen Jungen Partien in europäischen Ligen bestreiten können. Das wäre in China ein Phänomen«, so Wang heute: »Hoffentlich schaffen zwischen drei und fünf dieser jungen Spieler den Sprung zu einem großen europäischen Klub und in fünf Jahren nehmen in Spanien ausgebildete Fußballer mit der chinesischen Elf am Asien-Cup teil.«
Wang schließt auch Investitionen in andere Clubs nicht aus. Vor der Übereinkunft mit Atlético Madrid führte er Gespräche mit Verantwortlichen des FC Valencia. Nach »reiflicher Überlegung« entschied er sich jedoch für Atlético.
Wangs Einstieg könnte der Auftakt zu weiteren chinesischen Investitionen in spanische Clubs sein. Anders als beispielsweise in der englischen Premier League sind ausländische Großinvestoren in Spaniens Fußball ein relativ neues Phänomen. Nach Wangs Absage übernahm vor wenigen Monaten der Unternehmer Peter Lim aus Singapur, der seinerseits vor anderthalb Jahren als möglicher Investor bei Atlético Madrid gehandelt worden war, 70 Prozent der Anteile des FC Valencia und bürgte für eine Bankschuld des Clubs in Höhe von 320 Millionen Euro. Zudem spendierte er kurzerhand einige Millionen Euro für den Aufbau eines neuen Teams, das tatsächlich furios in die Saison startete und unter anderem Tabellenführer Real Madrid eine der eher seltenen Niederlagen beibrachte.
Schlechter lief es dagegen beim FC Málaga. Im Jahr 2010 übernahm Abdullah bin Nasser al-Thani, ein Mitglied der Königsfamilie von Katar, den damals hochverschuldeten Klub und investierte innerhalb von zwei Jahren rund 150 Millionen Euro. Plötzlich spielten die Andalusier in Spaniens Liga in der oberen Tabellenhälfte mit und erreichten 2013 das Viertelfinale der Champions League, wo sie denkbar knapp Borussia Dortmund unterlagen. Danach ließ das Interesse des Hauptaktionärs nach; Málaga wurde wegen Nicht-Einhaltung des »Financial Fair Play« von der UEFA für ein Jahr von allen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen. Im vergangenen Sommer verließ al-Thani schließlich den Klub. Er beklagte sich über fehlenden Respekt und Anerkennung. Ein guter Teil der Anhängerschaft stand ihm am Ende tatsächlich ablehnend bis feindselig gegenüber – nach dem vierten Platz in der Meisterschaft 2012 und der damit verbundenen Champions-League-Qualifikation waren noch Tausende durch Málaga gezogen und hatten skandiert: »Barça, Madrid, der Scheich ist hier!« (»¡Barça, Madrid, el jeque ya está aquí!«)
Al-Thani selbst hatte im Dezember 2010 geäußert: »Ich träume davon, dass Málaga ein Großer der spanischen Liga und ein Bezugspunkt in der Zukunft sein wird.«
Von Wang sind solche Zukunftsträume nicht zu hören. Sein Engagement ist längerfristig und strategisch angelegt. »Wang braucht Atlético nicht, um Türen in unserem Land zu öffnen«, heißt es denn auch im Klub. Ihm geht es vor allem darum, Chinas Fußball auf die Beine helfen. Und dieser kann dringend Hilfe gebrauchen. Beim gerade zu Ende gegangenen Asien-Cup in Australien war China relativ sang- und klanglos im Viertelfinale ausgeschieden.