»Israel verantwortlich machen können«

»Der unheimliche Erfolg der Judith Butler. Queer Theory gegen Zionismus, Gesellschaftskritik und homosexuelle Emanzipation« – das war der Titel ­eines Vortrags von Tjark Kunstreich, Alex Gruber und Stephan Grigat im Begleitprogramm des Wiener Filmfestivals »This Human World«, der im Dezember für Proteste sorgte. Zora Bachmann, künstlerische Leiterin des Festivals, hat mit der Jungle World gesprochen.

Wie hat sich der Protest gegen den Vortrag geäußert?
Die propalästinensische Front um die »Frauen in Schwarz« begleitet das Festival seit Jahren mit Protestschreiben. Dieses Mal waren sie bei der Eröffnung mit Transparenten anwesend. Auf diversen Facebook-Seiten wurde dazu aufgerufen, das Festival zu boykottieren. Dann kamen im Minutentakt Protest-Mails bei uns an. Zudem wurden Fotos von Mitarbeiterinnen des Festivals verschickt.
Blieb es während des Vortrags ruhig?
Direkt vor dem Kino fand eine Demonstration statt. Die Teilnehmer haben die E-Mails, die sie verschickt haben, über ein Megaphon verlesen, es kam ständig zu lauten Rückkopplungen. Das war lästig für die Gäste und Mitarbeiter. Auch uns war das unangenehm, irgendwann mussten wir die Polizei einschalten. Der Vortrag war gratis. Aber die Kritikerinnen kamen nicht. Wenn sie da waren, haben sie keinen Ton von sich gegeben.
Was werfen Ihnen diese Kritikerinnen vor?
Ihr größter Kritikpunkt ist immer, wir präsentierten keine israelkritischen Filme. Neu war, dass sie sich offen auf antisemitische Gruppen wie die PFLP bezogen haben – zwei Wochen, nachdem diese die Verantwortung für den Anschlag in der Synagoge in Jerusalem übernommen hatte. Zudem gibt es unter ihnen offenbar ein Dogma: Man darf Judith Butler nicht kritisieren. Gruber, Kunstreich und Grigat wurden als Rassisten, Antifeministen und Kriegshetzer beschimpft. Aber niemand ist auch nur mit einem Argument gekommen, das diese Unterstellungen hätte belegen können.
Gab es schon einmal ähnliche Proteste?
Das war das erste Mal. Und was die Kritikerinnen übersehen haben: Es gab in diesem Jahr den Film »The Shebabs of Yarmouk«. Er handelt von Palästinensern in einem Flüchtlingslager in Syrien. Dieses Lager hat Assad aushungern lassen, viele Menschen wurden umgebracht und es hat niemanden interessiert. Um die Lage von Palästinensern scheint es diesen Leuten nicht zu gehen – beziehungsweise nur dann, wenn sie Israel dafür verantwortlich machen können.