Die griechische Querfront wird Folgen für die Linke in Europa haben

Und unaufhaltsam rollt die Lawine

Syrizas Wahlsieg macht die Querfront in Europa populär.
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Das Schlimmste ist: Man hätte sich nach den Wahlen in Griechenland so gerne freuen wollen. Endlich macht mal jemand Schluss mit Merkels Verarmungsprogramm, endlich mal Gegenwind für die verheerende Sparpolitik der EU. Nein, noch schlimmer ist: Die Häme, die Hatz gegenüber Syriza, man möchte sie gerade jenen nicht gönnen, die diesen Sozialchauvinismus gepredigt und ihn systematisch etabliert haben.
Doch selbst wenn Syriza in wirtschaftlicher Hinsicht nun alles richtig machen sollte, selbst wenn ausgerechnet Griechenland als einziger EU-Krisenstaat nun paradiesisch aufblühen würde, was selbstredend sehr unwahrscheinlich ist, aber wie gesagt, selbst wenn: Das, was der Erfolg Syrizas jetzt schon an Schaden angerichtet hat, muss gerade für Linke jede Freude trüben.
Erstens das Bündnis mit der konservativ-nationalistischen Anel, der griechischen Version der AfD. Es ist eine wesentlich bedeutsamere rot-braune Querfront als jene zwischen Slobodan Miloševic und Vojislav Šešelj in den neunziger Jahren in Serbien, weil Tsipras im Unterschied zu Miloševic tatsächlich als Linker gelten muss und er von vielen Linken in Europa als Vorbild angesehen wird. Zweitens hat sich sehr schnell herausgestellt, dass Syriza als wichtigstes Druckmittel gegenüber der EU offenbar die unausgesprochene Drohung einsetzt, sich auf die Seite Russlands zu schlagen, was schon allein angesichts der destruktiven Rolle Russlands in der Weltpolitik ein beängstigendes Zeichen ist. Zudem zeigte sich sehr schnell, dass die Tändelei mit Putins Russland nicht nur ein taktisches Geplänkel ist, sondern offenbar in ideologischer Verbundenheit mit dem rechtsextremen Eurasia-Propagandisten Alexander Dugin geschieht. Putin wird, völlig realitätsfern, zum Gegenpol aller hiesigen Verhältnisse imaginiert, er erscheint einmal mehr als »die Alternative«. Auf ihn können sich die linken und rechten Nationalisten und Europagegner, die Antiamerikaner und Antisemiten, die Lügenpresseschreier und Homofeinde, friedensbewegte Aluhutträger und Pegida-Rassisten, Wertkonservative und Sowjetnostalgiker einigen.
Das alles wird weitrechende Folgen für linke Bewegungen und Parteien in Europa haben und es wird den neuen antieuropäischen, völkischen Bewegungen Auftrieb verschaffen. Die AfD kann sich freuen, sie regiert jetzt mit – zumindest schon mal in Griechenland. Dass Linke Widerstand gegen die EU-Politik offenbar nur als nationale Rückbesinnung denken können, dass Nationalisten und Rassisten als naheliegende Bündnispartner im Kampf gegen die EU-Wirtschaftpolitik begriffen werden, dass Putin als Heilsbringer verehrt oder zumindest als großer Bruder ins Spiel gebracht wird, mit dem man seinen Gegner zu beeindrucken sucht, das wird sich auch bei anderen europäischen Linken etablieren, denn die Syriza hat gezeigt: So feiert man Siege, so kommt man an die Macht. Und über Syrizas Verhältnis zu Israel haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen … (siehe Interview unten).
Welche Folgen die Syriza-Regierung für Griechenland haben wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht wird die Partei einige soziale und auch ein paar emanzipatorische Punkte, wie die Ankündigung, in Griechenland geborenen Kindern von Migranten die griechische Staatsbürgerschaft gewähren zu wollen, umsetzen und, obwohl Syriza von der Forderung nach einem Schuldenschnitt schon abgelassen hat, sogar die europäische Austeritätspolitik insgesamt zum Wanken bringen. Sollte dies gelingen, muss man diese Entwicklung unterstützen, doch das geht nicht mehr ohne den Hinweis auf das ideologische Umfeld, in das sich Syriza selbst gestellt hat. Syrizas Tabubruch wiegt vermutlich letztlich schwerer, als das, was die Partei hinsichtlich der EU-Krisenpolitik tatsächlich wird erreichen können. Diese Querfrontpolitik rollt wie eine Lawine auf die europäische Linke zu. Niemand kann sie aufhalten.