Es gibt einen Ort in der Stadt, an dem sich Dresden wirklich weltoffen zeigt

Das andere Dresden

Alle nörgeln nur herum und machen die sächsische Landeshauptstadt mies. Die fremdenfeindliche Stimmung wird kritisiert, das autoritäre Denken. Als ob die ganze Stadt so ticken würde! Zeit für ein Lob auf das weltoffene Dresden.

Es ist so ungerecht! Da hacken plötzlich alle auf Dresden ein, und das nur, weil seine Bewohner gerne ein bisschen an der frischen Luft spazieren gehen und sich dabei gleichzeitig kritisch mit den Medien beschäftigen, praktisch also eine Art wandelndes Bildblog darstellen.
Und nur weil seine Justiz richtig durchgreift und angesichts der vielen Aufgaben, die es zu bewältigen gilt, dabei eben systematisch vorgeht, von links nach rechts. Da steht sie eben noch ganz am Anfang. Und nur weil die dortige Polizei Messerstiche in farbigen Menschen für eine natür­liche Todesursache hält, muss man doch nicht gleich ausfällig werden – man hat sich eben nicht einfach durch letztlich kulturimperialistische Vorurteile leiten lassen. Denn nur weil bei uns im Oberkörper steckende Messer auf Mord hinweisen, muss das doch bei diesen Afrikanern noch lange nicht auch so sein!

Doch trotz alledem: Im Rest des Landes gilt Sachsen plötzlich als veritabler Schurkenstaat mit Sympathiewerten irgendwo zwischen Nordkorea und dem IS, gegen den selbst Bayern als liberal und zukunftsorientiert durchgeht. Und Dresden ist sein Mordor.
Dabei reichte doch ein Blick in den schönen Zoo von Dresden, um sich von der Liebenswürdigkeit und Weltoffenheit der Stadt zu überzeugen. Von alters her sehnen die Dresdner sich nach Bereicherung durch fremdländische Kulturen. Bereits 1861 eröffneten sie daher ihren Zoo, der damit der viertälteste in Deutschland ist. Heute leben dort 272 Arten von allen fünf Kontinenten, eine harmonische multikulturelle Gesellschaft. Schon auf den ersten Blick wird gekonnt mit den gängigen Klischees gebrochen: Während etwa aus Afrika große, starke, elegante und imposante Vertreter wie Elefant, Giraffe und Löwe gezeigt werden, hat man sich im Bereich Abendland laut eigener Homepage auf eine »sehr umfangreiche Sammlung heimischer und europäischer Kleinvögel, die teilweise sehr erfolgreich nachziehen« spezialisiert. Hässliche heimische Spatzen, die sich auch noch wie die (europäischen!) Karnickel vermehren, stehen würdevollen und ästhetisch ansprechenden Südländern entgegen. Ein Fanal gegen den Eurozentrismus!

Und jetzt raten Sie mal, welche Tiere sich bei den Besuchern besonderer Beliebtheit erfreuen? Kleiner Tipp: die Mönchsgrasmücke ist es nicht, trotz ihres christlich-abendländischen Namens. Auch der urgermanische Neuntöter wird im friedliebenden Dresden mit Missachtung gestraft. Im Terrarienhaus setzt die Wandelnde Geige, eine morgenländische Fangschreckenart, einen scharfen Kontrast zu den wandelnden Arschgeigen in der Dresdner Innenstadt.
Wie hier auch vor einer Islamisierung wirklich niemand Angst hat. Der Zoo rühmt sich laut seiner Homepage »besonders einer Auswahl bedrohter und selten gezeigter asiatischer Tiere«. Der Inbegriff des Islams, das Kamel, wird liebevoll gehegt und gepflegt. Berührungsängste gibt es nicht, das Gehege der Tiere ist nicht einmal eingezäunt. Besonders gerühmt wird ihre Fähigkeit, »trotz geschlossenem Auge sehen zu können«. Ein gelungener ironischer Verweis auf die abendländischen Trampeltiere, die ja selbst bei geöffneten Augen montags blind durch die Gegend torkeln. Im Zoo steht den Kamelen der Karakal zur Seite – sein Name stammt aus dem Türkischen. Im Nahen Osten gelten diese im Deutschen auch Wüstenluchs genannten Tiere als treue Begleiter des Menschen. Ganz anders als die gewöhnlich volltrunkenen Montagsspaziergänger zeichnet sich dieser Menschenfreund dadurch aus, nur sehr wenig trinken zu müssen.

Wem das alles zu subtil erscheint, der gehe schließlich zum Afrikahaus. Im Foyer dort stößt man auf die vielleicht spektakulärsten Bewohner des Zoos. Eine große Nacktmullkolonie lebt hier, den Zoologen zur Freude und den Dresdnern zur Mahnung. Diese Nagetiere mit ihrer verkrumpelten, faltigen, nackigen und pigmentlosen Haut, mit vier absurd großen Nagezähnen vorne dran, die selbstredend auch als Waffen genutzt werden, leben in einem nur faschistisch zu nennenden Staat mit einer unangefochtenen Führerin in streng hierarisch organisierten Kasten. Echte Nazi-Nager also, die alle Welt abstoßend findet und die Zeit ihres Lebens verachtet und verlacht im Untergrund leben müssen. Das hätte die Antifa sich nicht besser ausdenken können.
Der traditionsreiche Zoo Dresden also steht dem negativen Bild, das von der Stadt in letzter Zeit gezeichnet wird, standhaft entgegen. Und rücken wir die Maßstäbe doch mal zurecht: Während selbst zur besten Zeit der Abendländler-Bewegung maximal 25 000 Menschen durch die Stadt spazierten, verzeichnete der Zoo Dresden laut Sächsischer Zeitung im Pegida-Jahr 2014 sogar seinen Besucherrekord seit der Wiedervereinigung. Genau 888 000 Besucher kamen. Genau – 888 000? Wahrscheinlich waren es genau 888 888, wir sind hier ja schließlich in Sachsen. Es lebe das weltoffene, multikulturelle und liberale Dresden!