Todesdrohungen gegen Journalisten in Dortmund

Totschlagparty fürs gelbe Bataillon

In Dortmund bedrohen Nazis mehrere Journalisten mit dem Tod. Politiker und Polizei versuchen, die Angelegenheit herunterzuspielen. Dabei betätigen sich Nazis seit Jahrzehnten äußerst rege in der Stadt.

Rechter Terror gehört zum Dortmunder Alltag. Nun hat es auch Journalisten erwischt. Nazis aus dem Umfeld der Partei »Die Rechte« haben Pressemitarbeiter in fingierten Traueranzeigen mit dem Tod bedroht. Ein freier Fotograf solle bald »elendig verrecken«, einem Lokalredakteur der Ruhr-Nachrichten wird prophezeit, dass er »bald von uns geht«, einem Dortmunder Stadtteilblogger wird »brenn, Jude, brenn« gewünscht, mit Felix Huesmann und Sebastian Weiermann wird auch zwei Autoren der Jungle World und des Blogs Ruhrbarone der baldige Tod in Aussicht gestellt.

Fünf solcher fingierter Todesanzeigen veröffentlichten Dortmunder Nazis Anfang vergangener Woche auf der mittlerweile gelöschten Facebook-Seite »Jagd eröffnet jetzt«. Sie waren alle mit »Nationaler Widerstand« unterschrieben und warben für den Online-Shop von Michael Brück, einem Dortmunder Kader der Partei »Die Rechte«, der an der Ruhr-Universität im benachbarten Bochum Jura studiert.
Es war nicht die erste Kampagne dieser Art. Schon um Neujahr herum kursierten in den sozialen Netzwerken Todesanzeigen von Journalisten. Es war auch nicht die letzte Aktion dieser Art: Bereits Ende vergangener Woche tauchte eine neue Todesanzeige auf, deren Inhalt sich gegen einen Dortmunder Fotografen richtete. Die bedrohten Journalisten berichten seit Jahren über die Naziszene und werden dafür seit Jahren angefeindet, angepöbelt und angegriffen. Einschüchtern lassen dürfte sich keiner von ihnen.
Die neuen Todesdrohungen passen zur Entwicklung in der Naziszene. Seit der Kommunalwahl im Mai vergangenen Jahres gehen Dortmunder Nazis überaus offensiv vor. Einen Sitz im Rat gewannen sie damals, am Wahlabend kam es zum Sturm auf das Rathaus, es gab Verletzte. Gelb waren die T-Shirts der Sturmtruppen an diesem Abend, und schnell machten die Beteiligten deutlich, in wessen Tradition sie sich stellen wollen. »Die Straße frei den gelben Bataillonen!« war ihre Parole. Bei der SA hieß es: »Die Straße frei den braunen Bataillonen!« Gewalt und Drohungen gegen Politiker, Journalisten, Nazigegner und Migranten gehören seither wieder zum Dortmunder Alltag.
Dies hatte sich ein wenig gebessert, nachdem das nordrhein-westfälische Innenministerium 2012 die Kameradschaft »Nationaler Widerstand Dortmund« verboten hatte. Die ehemaligen Kameradschaftsmitglieder organisierten sich jedoch in der von Christian Worch gegründeten Partei »Die Rechte« neu, hielten sich bis zur Wahl zurück und sind seither wieder da: Durch Dortmund patrouilliert der »Stadtschutz«, eine Nazibürgerwehr, die Gegnern mit Anzeigen droht und angeblich kriminelle Ausländer drangsaliert. In der Nähe der Wohnungen von Politikern und Journalisten versuchen die Nazis, Kundgebungen abzuhalten, vor Flüchtlingsunterkünften marschieren sie mit Fackeln auf, auf Bürgerversammlungen werden Nazigegner eingeschüchtert. Polizisten werden angegriffen, Häuser von Kritikern der Naziszene mit Farbbeuteln beworfen und mit Hakenkreuzen beschmiert.

Auf die seit fast einem Jahr steigende Bedrohung reagiert die Politik in Dortmund und Nordrhein-Westfalen vor allem mit warmen Worten: Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte der Welt: »Die Hetze von Rechtsextremisten gegen Journalisten in Dortmund ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. Sie ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt.« Wie er dies zu tun gedenkt, sagte Jäger nicht.
Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) kritisiert die Nazis zwar mit harten Worten. Nach dem Fackelmarsch vor einem Flüchtlingsheim am Wochenende sagte er beispielsweise: »Der braune Pöbel hat sich einmal mehr demaskiert. Wie unter dem nationalsozialistischen Terrorregime in den dreißiger und vierziger Jahren geht es den Nazis auch heute darum, Menschen zu bedrohen, zu verängstigen und einzuschüchtern.« Doch noch immer hält Sierau im Gespräch mit Journalisten an seiner alten These fest, die Naziszene in Dortmund bestehe aus Zugezogenen, die die Stadt wegen ihrer guten Verkehrslage zum Standort auserkoren hätten. Sicherlich, führende Nazikader wie Dennis Giemsch, der für »Die Rechte« im Rat sitzt, und Michael Brück sind irgendwann nach Dortmund gezogen, aber nicht wegen der ICE-Anbindung und der Nähe zu mehreren Autobahnen. Denn die gibt es schließlich auch in anderen Städten.
Vielmehr hat die Naziszene in Dortmund eine Tradition, die bis in die siebziger Jahre zurückreicht. Während sich damals Rechtsextreme in kaum einer Ruhrgebietsstadt auf die Straße trauten, gab es in Dortmund eine umtriebige Szene. In den achtziger Jahren war die »Borussenfront« das bekannteste Beispiel für die Zusammenarbeit von Hooligans und Neonazis in ganz Deutschland. Siegfried »SS-Siggi« Borchardt war damals ihr Anführer und ist heute der Vorsitzende des Kreisverbands von »Die Rechte« in Dortmund. In der Stadt gab es zudem eine Zelle der Terrororganisation »Combat 18« und etliche rechtsextreme Skinheads. Nazis fühlen sich also in Dortmund wohl, weil es dort seit Jahrzehnten eine etablierte Naziszene gibt, nicht weil Busse und Bahnen halbwegs regelmäßig fahren.

Während Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange die mit dem Tod bedrohten Journalisten nun damit beruhigt, dass es nach »vergleichbaren Drohungen« in allen Fällen »bei den Bedrohungen geblieben« sei, und damit etliche Anschläge auf Nazigegner in den vergangenen Jahren schlicht ignoriert, planen die Dortmunder Nazis ihre nächste Veranstaltung. Sie soll am 28. März unter dem Motto »Wir sind das Volk« stattfinden. Nach einer Demonstration wird es ein Konzert der Band Lunikoff-Verschwörung geben. Deren Kopf ist Michael Regener, vormals Sänger der Band Landser, die 2003 vom Berliner Kammergericht als kriminelle Vereinigung eingestuft und verboten worden ist.
Bei der Demonstration dürfte auch Sven Kahlin dabei sein. Für ihn ist der 28. März ein ganz besonderes Datum. An diesem Tag im Jahr 2005 erstach Kahlin in Dortmund den Punk Thomas »Schmuddel« Schulz. Auf jeder Nazidemonstration wird der Mord an Schulz in irgendeiner Weise glorifiziert, in diesem Jahr wollen es die Nazis zum zehnten Jahrestag der Bluttat wohl so richtig krachen lassen. Für die Totschlagparty trommeln Dortmunder Nazis erneut bundesweit Unterstützer zusammen. Mag sein, dass Dortmunds günstige Verkehrslage dann tatsächlich nützlich ist.