Die Anschläge in Kopenhagen

Von Paris nach Kopenhagen

Der Antisemitismus ist ein Strang der jihadistischen DNA.

Die Parallelen sind unübersehbar. Erst schießen einer oder mehrere Jihadisten auf »blasphemische« Künstler, dann auf Juden. Am Samstagnachmittag eröffnete Omar Abd al-Hamid al-Hussein mit einer automatischen Waffe das Feuer auf ein Kulturzentrum in Kopenhagen, in dem eine Diskussion über »Kunst, Blasphemie und freie Meinungsäußerung« stattfand. Mitdiskutant war der schwedische Künstler Lars Vilks, auf dessen Kopf al-Qaida im Irak 2007 wegen einer Mohammed-Karikatur 100 000 Dollar ausgesetzt hatte. Getötet wurde der Dokfilm-Regisseur Finn Nor­gaard, drei Polizisten wurden verletzt. Später attackierte der Täter eine Synagoge in der Stadt. Dort erschoss er einen 37jährigen Mann, der zum Schutz der Synagoge anwesend war, in der eine Bar-Mitzvah-Feier stattfand. Am frühen Sonntagmorgen spürten Ermittler den Attentäter vor seiner Wohnung auf, nach einem Schusswechsel war er tot.
Das Profil des Kopenhagener Schützen, 22jähriger Sohn palästinensischer Eltern, ähnelt dem Cou­libalys und der Kouachi-Brüder, die in Paris gemordet hatten: Kleinkriminalität, Knasterfahrung – wegen einer Messerstecherei –, weitere Radikalisierung in Haft. Auch eine Verbindung zum internationalen Jihadismus existiert. Im Gefängnis soll al-Hussein geäußert haben, er wolle für den »Islamischen Staat« (IS) in Syrien kämpfen. Die dänischen Gefängnisbehörden setzten ihn auf eine Liste mit 39 weiteren radikalisierten Häftlingen, die sie auch den Ordnungsbehörden übermittelten. Nach Medienberichten soll auf seiner Facebook-Seite kurz vor seinen Taten ein Treueschwur hochgeladen worden sein, der dem »Kalifen« des IS, al-Baghdadi, galt. Zudem ein Video, das den bewaffneten Jihad preist.
Zwei Elemente stehen bei den Mördern von Paris und Kopenhagen im Vordergrund: die vermeint­liche Blasphemie von Karikaturen – in Kopenhagen wurde bereits eine Diskussion über das Thema zum Angriffziel. Der Terror zeigt Wirkung, insbesondere in Großbritannien, wo der Guardian gerade ein Editorial veröffentlichte, in dem es heißt: »The right to free speech has to be weighed alongside the importance of respecting ­difference.« Ein bisschen Respekt vor der jihadistischen Differenz wird man doch noch erwarten dürfen.
Das zweite Element ist eine Form des Antisemitismus, dem zufolge jeder Jude, egal wo, aus Rache für die Taten des »Kindermörders Israel« getötet werden kann. Die Verbindung zwischen beiden Elementen stellt die islamistische Ideologie, in die bereits in den dreißiger Jahren »Die Protokolle der Weisen von Zion« Eingang fanden. Al-Qaida bezeichnet sich als Organisation gegen »Kreuzfahrer und Juden«, 2002 verübte die Organisation den Anschlag auf die Synagoge im tunesischen Djerba. Bei dem Massaker, dass pakistanische Jihadisten der Lashkar e-Toiba 2008 im indischen Mumbai verübten, wurde auch ein jüdisches Zentrum überfallen, in dem mehrere Anwesende zu Tode gequält wurden. Kurz: Der Antisemitismus ist ein Strang der jihadistischen DNA.
Und er findet sich keineswegs nur dort. Houria Bouteldja, Frontfrau der französischen Organisation »Indigènes de la République«, äußerte kurz nach den Massakern in Paris, das »politische Angebot« des Antisemiten Dieudonné und des Nazis Alain Soral sei »gegenwärtig das, das am besten der existenziellen Malaise der zweiten und dritten Generationen postkolonialer Immigranten entspricht«. Nicht zuletzt bestimme es nämlich einen Feind: »den Juden als Juden«.