Neonazis und Pegida in Frankfurt

Nazis unterm Davidstern

In Frankfurt streiten sich Neonazis über die Beteiligung bei Pegida. Die Veranstalter der Aufmärsche sind wiederum nicht von rechtsextremen Sympathiebekundungen begeistert.

Manchmal gestaltet sich die Sache mit der rechten »Volksbewegung« schwieriger als gedacht. In Frankfurt am Main hatte der örtliche Pegida-Ableger nicht nur von Beginn an mit heftigem Protest zu kämpfen, sondern auch mit der Herstellung eines kohärenten inhaltlichen Profils. »Gewaltfrei und vereint« wollte man »für Wahrheit und Grundgesetz« auf die Straße gehen – vereint werden dabei aber vor allem kuriose Widersprüche. So kommt es seit einigen Wochen Montag für Montag in der Innenstadt zu absurden Szenen, etwa wenn Stefan Jagsch, der Landesvorsitzende der hessischen NPD, nur wenige Meter neben einer Israel-Flagge steht und zugleich ein in eine Deutschland-Fahne gewickelter Israeli in das Mikrofon brüllt, bei Pegida seien keine Nazis anwesend. Oder wenn etwa zehn junge Neonazis aus dem Umfeld des »Freien Netzes Hessen« im Stil der Autonomen für die Beteiligung an den linken Blockupy-Protesten gegen die Eröffnung des EZB-Neubaus am 18. März werben – und das, obwohl Pegida doch eigentlich weder rechts noch links sein möchte.

Hinter »Pegida Frankfurt/Rhein-Main« stecken maßgeblich die christliche Fundamentalistin Heidi Mund und ihr Mann Mathias, der für die »Freien Wähler« im Frankfurter Stadtparlament sitzt. »Heidi, die mutige Deutsche«, wie sie in ihren Kreisen genannt wird, erregte das erste Mal größere Aufmerksamkeit, als sie während einer sogenannten Friedensmesse in der Gedächtniskirche in Speyer die Ausführungen eines Imams lautstark mit den Worten störte: »Jesus Christus allein ist Herr über Deutschland.« Spätestens seit diesem Auftritt ist Mund ein Star der antimuslimischen Bewegung im Umfeld von PI-News. Auch bei den »Hooligans gegen Salafisten« in Hannover war sie dabei. Dort schrie sie von der Bühne der Menge entgegen, sie sei »stolz auf deutsche Männer, die endlich einen Arsch in der Hose haben«. In einem Video, das im Internet kursiert, sagt sie, der Koran sei »gleichzusetzen mit Hitlers ›Mein Kampf‹«.
Dennoch möchte Mund mit Neonazis und Rechtsextremismus nichts gemeinsam haben. Bei Pegida in Frankfurt hat sie aber bisweilen Abgrenzungsschwierigkeiten. Nazis habe sie keine gesehen, sagte sie Journalisten nach der ersten Kundgebung, einen Stefan Jagsch kenne sie auch nicht. Später behauptete sie in einer Videobotschaft, der von der Presse ausfindig gemachte NPD-Mann sei bewusst bei Pegida abgestellt worden und »wahrscheinlich in Wirklichkeit ein Linker«. Auch verbreitete sie über Facebook eine mittlerweile widerlegte Polizeimeldung, derzufolge Jagsch entgegen anderslautender Berichte nicht während der dritten Pegida-Kundgebung anwesend gewesen sein soll. Einige Pediga-Anhänger gaben sich beruhigt und fühlten sich in ihrer Ablehnung der »Lügenpresse« bestätigt. Andere verstanden die Aufregung nicht. »Was wäre schlimm daran, wenn er da gewesen wäre?« wollte ein Facebook-Nutzer wissen. Auf den »Gefällt mir«-Button drückten Jagsch und ein anderer hochrangiger NPD-Funktionär. Die jungen Neonazis vom »Freien Netz Hessen« wurden zwar nach einiger Zeit von der Pegida-Kundgebung ausgeschlossen. Aber nicht etwa, weil Mund als Anmelderin dies verlangt hätte, sondern weil Beamte wegen der Vermummung der Männer einschreiten mussten, wie die Polizei auf Nachfrage betonte.

Nicht nur über die Teilnahme organisierter Neonazis scheinen sich die Pegida-Anhänger in Frankfurt uneinig zu sein. Auch Israel-Flaggen stoßen nicht immer auf Gegenliebe. »Die Zionistenflagge gehört nicht dazu! Wir sind Europa!« wütete ein Nutzer auf Facebook. Die Sache mit Israel sei nicht so einfach, schrieb auch ein anderer Pegida-Anhänger, er sehe viele Parallelen zu »anderen machtgierigen Völkern«. Manche sind noch direkter. »I don’t talk to jews«, hieß es in einem Kommentar. Doch es gibt auch Zuspruch, schließlich hätten Israel und Deutschland mit dem Islam denselben Feind. Meistens ist die positive Bezugnahme auf Israel aber rein funktional – eine Frau etwa schreibt, die Flagge nutze der Bewegung, schließlich »können wir keine Nazis sein, wenn Israelis auf unserer Seite sind«.
Das dachte sich wohl auch Jörg Krebs. Der NPD-Abgeordnete im Frankfurter Stadtparlament begründete vorab seine Nichtteilnahme damit, dass der örtliche Pegida-Ableger durch eine »schon fast peinliche Anbiederung an den Staat Israel« auffalle. Und im Nachhinein kritisierte er auf seiner Website, dass sich »führende hessische NPD-Kader an Veranstaltungen beteiligen, die von ihrer politischen Ausrichtung her ganz klar eine einseitige Parteinahme zugunsten Israels erkennen lassen«. Gemeint war Jagsch. Dieser ließ sich aber durch die Kritik aus den eigenen Reihen nicht davon abhalten, zwei Wochen später erneut bei Pegida aufzutauchen. Danach warf der NPD-Mann aus Frankfurt dem hessischen Vorsitzenden vor, dass er teilnahmslos zugeschaut habe, als Mund »Nie wieder Nationalismus« gerufen habe. »Das ist schizophren«, schrieb Krebs auf Twitter. Der Landesvorstand aber wollte sich die Angriffe des Frankfurters offenbar nicht weiter gefallen lassen. Kurze Zeit danach war auf der Face­book-Seite der Frankfurter NPD eine Stellungnahme von Krebs zu lesen: »Aufgrund einer – aus meiner Sicht – sinnfreien Direktive seitens des Landesvorstands der hessischen NPD sehe ich mich dazu genötigt, dieses Facebook-Profil zum Freitag, den 13. Februar 2015, zu deaktivieren.«
Der Grund dieses Maulkorberlasses war offenbar Krebs’ abweichende Ansicht in Sachen Pegida. Während auf der Facebook-Seite der NPD Hessen regelmäßig für die Kundgebung in Frankfurt geworben wurde, hatte Krebs seine kritischen Artikel auf der Frankfurter Seite verlinkt. Er kam der Aufforderung von oben nach und deaktivierte das Facebook-Profil. Zugleich griff er den Landesvorstand in einer Mitteilung scharf an: Die hessische NPD befinde sich in einem desolaten Zustand, das Führungspersonal schaffe es »ohne ein Rechtschreibprogramm noch nicht einmal, einige wenige Sätze in korrektem Deutsch zu verfassen«.

Diese persönlichen Vorwürfe zeugen auch davon, dass die Rivalitäten im Landesverband tiefgehend sind und sich gegenwärtig in den Diskussionen um den strategischen Umgang mit Pegida entladen. Von »Neid« und »Missgunst« ist etwa die Rede, außerdem, so Krebs, scheine »das Wirken einiger maßgeblicher Protagonisten ausgesprochen auf die Endabwicklung der hessischen Nationaldemokraten abzuzielen«. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es in der hessischen NPD ausgerechnet aufgrund der Meinungsverschiedenheiten über die rassistischen und völkischen Pegida-Aufmärsche zu einem Bruch kommen wird. Das wäre dann wirklich eine List der Vernunft.