Eine Studie zu deutschen »Linksextremisten«

Die Wissenschaft hat festgestellt

Eine neue Studie zum Thema Linksextremismus kommt zu dem Ergebnis, dass ein Fünftel der Deutschen zur Revolution bereit ist.

»Gegen Staat und Kapital – für die Revolution!« Diese Überschrift ziert nicht etwa einen Flyer, mit dem irgendeine Oldschool-Antifagruppe zu den »Blockupy«-Protesten in Frankfurt aufruft, sondern eine jüngst erschienene Studie über »Linksextremismus« in Deutschland. Glaubt man den Autoren, dann geht die größte Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht etwa von denen aus, die auf Pegida-Demonstrationen oder auch schon mal beim Anzünden von Flüchtlingsheimen ihren Rassismus ausleben, sondern von nahezu einem Fünftel der Bevölkerung, das »linksextremem« Gedankengut anhänge.
Nun muss man über die Qualität dieser Studie eigentlich nur wissen, dass ihre Verfasser dem – sicherlich völlig ideologiefreien – Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin angehören und dass sie besonders begeistert von den twitternden CDU-Politikerinnen Erika Steinbach und Kristina Schröder begrüßt wurde. Letztgenannte hat sich bekanntlich in ihrer Zeit als Familienministerin in erster Linie einen Namen damit gemacht, das Amt für ihren Feldzug gegen die Rote Gefahr zu missbrauchen. Und tatsächlich handelt es sich bei der Forschungsarbeit um ein Produkt der von Schröder ins Leben gerufenen »Initiative Demokratie stärken – gegen Linksextremismus und islamischen Extremismus«, die also trotz ihrer erwiesenen Unsinnigkeit (Jungle World 10/2012) immer noch nicht abgewickelt wurde.
Über den Fragenkatalog, mit dem die Forscher dem latenten Kommunismus in der Bürgerseele auf den Grund gehen, wurde im Internet schon ausgiebig gelästert. Wer möchte, kann beispielsweise im Blog »Metronaut« anhand der Zustimmung zu Aussagen wie »Die deutsche Polizei ist auf dem rechten Auge blind« oder »Der Kapitalismus führt zwangsläufig zu Armut und Hunger« den eigenen Linksextremismusscore ermitteln.
Wo die Fragen nicht auf ein »Bist du ein Arschloch oder erkennst du Alltagsrassismus als solchen?« hinauslaufen, verheddern sich die Extremismusextremexperten in ihrer eigenen Rechts-Links-Schwäche: Einerseits sind viele der Aussagen durchaus anschlussfähig für Staats- und Kapitalismuskritik von rechts formuliert; so erklären die Forscher beispielsweise selbst, dass sowohl linke als auch rechte Radikalinskis eine Revolution befürworteten (dass die sich darunter reichlich gegensätzliche Dinge vorstellen, wird geflissentlich unterschlagen). Andererseits puzzeln sie sich ihre Zahlen dann so zusammen, dass auch ein Ja zu solchen Aussagen bequem zu den »Facetten eines linksextremen Einstellungsmusters« gerechnet werden kann.
Nicht überall aber werfen die Verfasser links und rechts munter durcheinander, immerhin treffen sie ganz differenziert die aparte Feststellung: »(Es) verschwimmen – anders als auf der rechten Seite des politischen Spektrums – die Trennli­nien zwischen extremer und radikaler, aber demokratischer Linker.« Offenbar haben wir hier also den Beweis für die Existenz von Paralleluniversen vor uns, in denen weder die AfD noch sächsische CDU-Politiker existieren, die mit der NPD kungeln. Dann hätte die Studie ja vielleicht doch noch einen wissenschaftlichen Wert.