Blockupy ist Revolutionsromantik

Revolutionssimulation

Die Blockupy-Mobilisierung nach Frankfurt am Main ist nicht viel mehr als eine Klassenfahrt für erlebnisorientierte Revolutionsromantiker. von der Gruppe Antideutsche

»Kein Witz: Eine andere, eine solidarische Welt ist möglich – aber sie kann nur auf den Trümmern der alten Ordnung errichtet werden. Fangen wir mit dem Abriss an«, ködert das kommunistische Bündnis » … ums Ganze« seine zahlreichen Groupies zur gemeinsamen Klassenfahrt nach Frankfurt am Main. Die feierliche Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) steht auf dem Programm. Anlass für die große revolutionäre Vorfreude ist der Regierungswechsel in Griechenland: »Bemerkenswert ist schließlich vielmehr, dass Syriza objektiv einen Raum eröffnet hat, den Bewegungen und radikale Linke füllen können, ja füllen müssen – weil er sonst schnell wieder geschlossen sein wird.« Wir halten fest: Die Zeit drängt, weil aus den Wahlen in Griechenland eine »Querfrontregierung« (Rainer Trampert) hervorging. Genau deshalb gilt es für radikale Linke Räume zu füllen. Und wenn es nur der Vorplatz des neuen EZB-Wolkenkratzers beziehungsweise die städtischen Turnhallen in Frankfurt am Main sind.
»Wir wollen nur, dass die Menschen, die aus vielen Ländern Europas zu den Blockupy-Protesten anreisen werden, nicht in irgendwelchen Löchern schlafen müssen, sondern ordentlich untergebracht sind. Etwa in städtischen Turnhallen. Beim Evangelischen oder Katholischen Kirchentag, bei allen Turn- und Sängerfesten, kriegt die Stadt Frankfurt das hin«, appelliert der kommode Klassenkämpfer Aaron Bruckmiller von der Interventionistischen Linken (IL) an das »Schweinesystem«, dass dieses doch bitte, bitte Schlafplätze für die anreisenden Carhartt-Chaoten zur Verfügung stellen soll. Falls dies nicht geschehe, sehe man sich gezwungen, stattdessen Häuser zu besetzen. Komplett rundet diesen Wahnsinn die Tatsache ab, dass eigens für diesen besonderen Ausflug ein Sonderzug bei der Deutschen Bahn gechartert wurde. Lenins Bonmot, wonach deutsche Revolutionäre eine Bahnsteigkarte kaufen, bevor sie den Bahnhof stürmen, beschrieb einmal eine Trägödie. Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Heutzutage handelt es sich um die ewig gleiche Wiederholung der Farce.

Wenn die Ohnmacht am größten ist, werfen selbst die kleinsten Murmeltiere noch große Schatten. Nach diesem Prinzip funktioniert die Mobilisierung gegen die Eröffnung der Europäischen Zentralbank. Ausgerechnet für solch einen unbedeutenden Wanderzirkus wird jahrelang eine breite Einheitsfront geschmiedet, die von militanten Anarchoveganern, wertkritischen Feministen über postmoderne Autonome, unzählige V-Männer, hedonistische Riotclowns bis hin zu fleischfressenden Stalinisten reicht. Sonst haben sich diese politischen Strömungen und Gruppen selten etwas zu sagen. Am 18. März tauchen sie dann aber gemeinsam im kraftvollen schwarzen Block der North-Face-Träger ab und tauschen bereitwillig ihre Individualität gegen ein wenig kollektive Revolutionsromatik ein.
Derweil mutieren die großen Bündnisse » …ums Ganze« und Interventionistische Linke immer weiter zu Serviceagenturen ihrer erlebnisorientierten Klientel. Wegen ihrer marktbeherrschenden Position zwingen sie ihre politischen Konkurrenten, sich ebenfalls in größeren Organisationen zu zentralisieren. Ganz im Widerspruch zur autonomen Praxis sind diese großen Zusammenhänge unflexibler und können nur verspätet auf aktuelle Ereignisse reagieren. Und das Dilemma marxistischer Organisationen ist, dass »der Marxismus irreparabel zerfallen ist in Plattheit auf der einen Seite und Mystik auf der anderen« (Wolfgang Pohrt).

Letztlich stellt das ganze Brimborium kein großes Problem dar, weder für die Gesellschaft noch für die Protagonisten. Die Demonstranten, bis auf die Erstsemester und die ganz Naiven, wissen um den Kater, den eine solch gewagte Simulation von revolutionären Zeiten im 21. Jahrhundert mit sich bringt. Nach dem Großereignis geht es nämlich ganz normal weiter, also zurück in den Lesekreis, und in der Gruppe beginnen die Planungen für das nächste Jahr.
Auch die Arbeitgeber sowie Professoren brauchen sich keine Sorgen machen. Sie wissen aus eigener Erfahrung, dass ein Adrenalinausflug ins Ungewisse, ein kalkulierter Ausbruch aus dem Alltag, »positive Kräfte« für das Arbeitsleben freisetzt. Und in zehn Jahren geht man dann gemeinsam Bungeespringen.