Das Urteil zum Kopftuchverbot

Das Kopftuch gehört zu Deutschland

Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot des Kopftuchs für Lehrerinnen aufgehoben. Die Botschaft ist deutlich.

Es waren nur wenige dissonante Stimmen, die Ende vergangener Woche im gottgefälligen Chor des deutschen Mainstreams zu vernehmen waren. Gerade hatte das Bundesverfassungsgericht ein von acht Bundesländern erlassenes Verbot des islamischen Kopftuchs für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen aufgehoben, da legte Volker Beck (Grüne) schon eine neue Übersetzung von Allahu akbar vor: »Das ist ein guter Tag für die Religionsfreiheit.« Freilich nicht für die Freiheit von Religion. Heribert Prantl, ein Autor des täglich neu produzierten Schwatzbuch des Konformismus, adelte den Richterspruch in der Süddeutschen Zeitung zum »Karlsruher Toleranzedikt«. Richtig daran ist immerhin der wohl unbewusste Verweis auf die Zeit des »aufgeklärten Absolutismus«.
Dissonanzen kamen von den üblichen Verdächtigen. Dazu zählt der scheidende Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky. Der sozialdemokratische Abweichler hatte sich oft unbeliebt gemacht, weil er offen den Stand der Islamisierung in Berliner »Problemkiezen« ansprach. Nun bezeichnete er im RBB das Urteil als »Katastrophe«, weil es Bemühungen erheblich erschwere, Mädchen aus islamischen Familien gegen den auf sie ausgeübten Verhüllungsdruck zu schützen. Das Gericht habe die »individuellen Rechte« der beiden klagenden Kopftuchlehrerinnen über »die Gesellschaft« gestellt. Das stimmt jedoch nur, wenn man die Interessen »der Gesellschaft« so definiert wie der wackere Laizist Buschkowsky und nicht so wie das Gros der Kommentatoren, das dem Credo des islamophilen Prantl zustimmen dürfte: »Schule ist kein klinischer Raum, sie ist der Ort, an dem Gesellschaft eingeübt wird.«
Ausgehend vom Abstraktum dieser genuin sozialdemokratischen Bildungslogik können auch konkrete Fragen gestellt werden: »Was macht eigentlich eine Kopftuchlehrerin, die ja ihre Reize verhüllen will, die sich anders geben will als das, was eigentlich unser Verständnis von der Gleichheit von Mann und Frau ist, wenn sie im Deutschunterricht eine Liebesszene mit den Kindern durchgehen möchte? Was ist, wenn sie über sexuelle Beziehungen von Mann und Frau reden möchte? Was macht eine Biologielehrerin mit Kopftuch?« Diese konkreten Fragen stellte eine weitere dissonante Stimme, die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün, im Deutschlandfunk. Fragen, die man durch die Themen ­Homosexualität, Evolutionstheorie, Staatsverständnis und andere ergänzen könnte.
Mit einer Invasion von Kopftuchpaukerinnen an deutschen Schulen ist aber nicht zu rechnen. »Muslimas«, die demütige »Töchter des Propheten« und zugleich »selbstbewusste Demokratinnen« sein wollen, gibt es nur in so geringer Zahl, dass sie fast schon literarischer Fiktion angehören. Wie Akgün zu Recht nahelegt, handelten die Klägerinnen wohl aus politischem Interesse. Während dieses Interesse nur vage – in Richtung Fundamentalisierung und Essentialisierung der Geschlechter- und Sozialverhältnisse – bestimmt werden kann, ist die Botschaft des Urteils und des öffentlichen Applauses an Frauen aus islamischen Familien, und nicht nur an sie, deutlich: Auf euren Emanzipationskram kommt es nicht an. Der Islam gehört zu Deutschland!