Flüchtlingsproteste in britischen Abschiebegefängnissen

Gefangen in der Ungewissheit

In britischen Abschiebegefängnissen protestieren Asylsuchende und Migranten gegen unmenschliche Haftbedingungen.

Als immigration removal centres (Einwanderungsentfernungszentren) werden sie euphemistisch bezeichnet – die 14 Abschiebegefängnisse in Großbritannien, in denen Asylsuchende und Migranten festgehalten werden. Ende 2014 befanden sich 4 362 Personen in diesen Zentren, die oft in der Nähe von großen Flughäfen liegen, um Massenabschiebungen mit gecharterten Flugzeugen zu erleichtern. Ein Gutteil der Zentren wird von privaten Sicherheitsfirmen wie G4S oder Serco geführt. Der britischen Regierung ist es erlaubt, Asylsuchende an jedem Punkt ihres Asylprozesses für unbestimmte Zeit in diesen Zentren festzusetzen. Das Innenministerium hält Abschiebezentren für einen essentiellen Teil der Einwanderungskontrolle, betont aber, dass die Inhaftierung nur als letzter Ausweg gebraucht werde, nämlich dann, wenn alle anderen Maßnahmen, eine Person zur Rückkehr in ihre »Heimat« zu bewegen, fehlgeschlagen seien.

Tatsächlich fungieren die Zentren aber nicht nur als Sammelpunkt für diejenigen, die bald abgeschoben werden, sondern auch als Gefängnis für Asylsuchende, die noch auf ein Ergebnis im sogenannten fast track warten, einem beschleunigten Verfahren zur Prüfung von Asylanträgen. Denn trotz fast track ist die Inhaftierungszeit un­begrenzt und viele Betroffene müssen mehrere Monate oder Jahre ausharren, bis über ihren Fall entschieden wird. Nicht nur deshalb befinden sich seit dem 8. März Asylsuchende und Migranten in mehreren dieser Zentren im Hungerstreik. Die Proteste begannen im Frauenlager Yarl’s Wood sowie in den Zentren in Harmondsworth und Colnbrook in der Nähe von Heathrow, breiteten sich aber auf andere Zentren aus.
Die Streikenden fordern ein Ende der Inhaftierung und protestieren vor allem gegen die Ungewissheit, die diese mit sich bringt. Weder ist klar, wie lange die Gefangenschaft dauern wird, noch, welches Resultat sie haben wird: Abschiebung oder Freilassung. Viele der Asylsuchenden haben zudem große Angst vor dem, was sie im Falle einer Abschiebung in ihrem Herkunftsland erwartet, da sie zum Teil lebensbedrohlichen Situationen entflohen sind. Diese Unsicherheit empfinden die Betroffenen als sehr belastend. In einem offenen Brief bezeichneten die Hungerstreikenden dies als psychische Folter. Insassen kritisieren außerdem, dass ihnen Rechtsbeistand versagt werde und sie sich so nicht verteidigen könnten. Richter entscheiden in ihrer Abwesenheit über eine Abschiebung. Das Sammeln von den für einen erfolgreichen Asylantrag nötigen Belegen, etwa um politische Verfolgung im Herkunftsland nachzuweisen, wird durch die Inhaftierung erschwert bis verunmöglicht.

Weder über die Proteste, noch über die Zustände in den Abschiebezentren ist viel bekannt, denn Presse ist dort nicht zugelassen. Asylsuchende berichten allerdings von gefängnisartigen Verhältnissen, mangelnder Hygiene, fehlender ärztlicher Versorgung und sexuellen Übergriffen. Ein parteiübergreifender Ermittlungsausschuss zu den Verhältnissen in Abschiebezentren befand die derzeitige Praxis der Inhaftierung von Asylsuchenden für teuer, ineffektiv und rechtswidrig und rät dazu, die maximale Haftzeit auf 28 Tage zu begrenzen.
Der Fernsehsender Channel 4 hatte erst vorvergangene Woche eine Reportage ausgestrahlt, in der die schlechten Bedingungen in den Zentren mit versteckter Kamera gefilmt wurden. Die Reportage machte deutlich, welche Einstellungen die Angestellten der privaten Sicherheitsfirmen gegenüber den Insassen haben: »Sie sind alle Tiere, sie sind alle Biester, gefangene Tiere. Du gehst mit einem Stock rein und haust drauf.« Die Frauen in Yarl’s Wood trugen daraufhin T-Shirts mit der Aufschrift »Wir sind keine Tiere«. Seit dem 8. März verweigern sie zudem die Nahrungsaufnahme. Die britische Regierung und die verantwortlichen Sicherheitsfirmen spielen die Proteste allerdings herunter. Eine Asylsuchende aus Yarl’s Wood berichtete von etwa 100 Hungerstreikenden, währen die Firma Serco von einem kleinen friedlichen Protest sprach, der in Auflösung begriffen sei.