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»Die Wissenschaft und ihre Feinde« lautet das Thema dieser Ausgabe, in der Esoteriker, Impfgegner und Fortschrittsfeinde kritisiert und bedenkliche gegenaufklärerische Tendenzen in allen möglichen Bereichen der Gesellschaft ausgemacht werden. Es geht um gefühltes Wissen, Ökokult, Technikfeindschaft, Homöopathie und anderen Hokuspokus. Tja, und da geht es auch schon los. Wenn man sich nämlich genauer in der Redaktion umsieht, handelt es sich bei den Kollegen auch nicht durchweg um Freunde einer rein wissenschaftlich ausgerichteten Lebensführung. Das eine oder andere Heilwässerchen steht gerade in der Erkältungszeit auf dem Schreibtisch. Beispiel: die Geschäftsführung, erster Schreibtisch links. Hier gehört ein homöopathischer Tropfen zur Grundausstattung. Anlass zum Kopfschütteln? Nicht, wenn aus dem Nebenzimmer Gesprächsfetzen dieser Art zu hören sind: »Man muss nur die Red Chestnut mit Hornbeam mischen. Die reagieren total darauf!« Worauf? Und wer überhaupt? Na, Katzen auf Bachblüten. Man habe es anfangs auch nicht für möglich gehalten, aber es wirke tatsächlich. Nein, mit Esoterik habe das selbstverständlich überhaupt nichts zu tun.
Von Zufällen wollen auch andere Kollegen nichts wissen und erzählen von defekten Spülmaschinen, die nach einfühlsamem Zureden plötzlich wieder funktionierten, und von Computern, die nur spuren, wenn man sie beschimpft. Vielleicht muss man wirklich nur den richtigen Ton treffen. Ob ihnen in jüngster Vergangenheit ein schwarzer Kater von links über den Weg gelaufen sei? »Die kommen ja immer in Schlangenlinien daher«, sagt ein kundiger Redakteur. Für eine andere Kollegin ist die Sache mit dem Kater seit jeher ein Rätsel: »Ich frage mich das auch immer … Rechts-links-Schwäche.« Da kann man nichts machen, überhaupt spielt das Schicksal eine Rolle: »Heute ist nicht mein Tag«, denken die meisten häufiger mal. Einige sogar jeden Morgen, wenn der Wecker klingelt. Das Lottospiel erfreut sich vor allem in einem Ressort großer Beliebtheit. Man wisse ja, statistisch gesehen ergibt es keinen Sinn, aber probieren könne man es doch trotzdem. So wie das Daumendrücken, eine Tätigkeit, auf die sich überraschend viele einigen können. »Aber jetzt nicht physisch«, sagt ein Mitglied der Geschäftsführung, »ich sage das dann nur so.« Täuschungsversuche im Aberglauben – das ist die Königsdisziplin.
Mit einer Wünschelrute wurde aber noch keiner auf dem Flur erwischt. Nicht einmal, als der Wasserspender leer war. Und an Horoskope glaubt ebenfalls niemand, auch wenn ein Redakteur etwas zu schnell sein vietnamesisches Tierkreiszeichen (Metallbüffel) nennen konnte. Die Irrationalität hat Grenzen. Man muss sie nur genau auszupendeln wissen.