Saudi-Arabien und die Atomverhandlungen mit dem Iran

Alte Rivalen, neue Allianzen

In Saudi-Arabien wird befürchtet, dass eine Einigung in den Nuklearverhandlungen den Iran weiter erstarken lässt. Das Königshaus sucht nun neue Bündnispartner in der Region.

Im saudischen Königshaus wächst die Sorge, dass ein Nuklearabkommen zwischen den westlichen Mächten und dem Iran seinem Gegner am Golf in die Hände spielen könnte. Eine »unverdiente Vereinbarung« sollte dem Iran nicht gewährt werden, sagte Außenminister Saud al-Faisal am Montag. Doch bereitet man sich schon darauf vor, dass ein Abkommen geschlossen wird.
Ende Februar landete der pakistanische Ministerpräsident Nawaz Sharif in der saudischen Hauptstadt Riad, wo er von König Salman am Flughafen abgeholt wurde. Sharif war einer dringlichen Einladung des erst jüngst inthronisierten Königs gefolgt. Bei den Gesprächen soll es vor allem um den Iran gegangen sein.
Bereits jetzt fühlt sich das saudische Königshaus von iranischem Einfluss bedroht. Im nördlichen Nachbarland Irak unterhält die schiitisch dominierte Regierung ungeachtet der Kooperation mit der internationalen Koalition gegen den »Islamischen Staat« gute Beziehungen zum Iran. In Syrien kämpfen iranische Einheiten Seite an Seite mit der Hizbollah, um das Regime Bashar al-Assads zumindest als Rumpfstaat im syrischen Kernland zu erhalten. Im Libanon ist die mit dem Iran alliierte Hizbollah spätestens seit 2006 die stärkste militärische Kraft im Land.
Der iranische Einfluss reicht aus saudischer Perspektive sogar in die Staaten des Golfkooperationsrats (GCC) hinein. Im kleinen Inselstaat Bahrain vor der saudischen Golfküste protestierten im Frühling 2011 vor allem schiitische Oppo­sitionsgruppen gegen das sunnitische Königshaus und für eine stärkere Beteiligung der schiitischen Bevölkerungsmehrheit an der Macht. Das bahrainische Königshaus ließ nach wenigen Wochen den Ausnahmezustand ausrufen, die Proteste wurden mit Hilfe von Truppen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten niedergeschlagen. Doch sie blieben nicht ohne Widerhall in Saudi-Arabien, wo zur gleichen Zeit in der mehrheitlich von Schiiten bewohnten Ostprovinz Demonstranten auf die Straße gingen und Reformen forderten.
Dass sich die schiitische Minderheit im eigenen Land mit schiitischen Bewegungen in den Nachbarländern solidarisieren könnte, ist eine der größten Ängste des saudischen Königshauses. Als Ende vorigen Jahres die schiitische Miliz Ansar Allah, bekannt als Houthi-Rebellen, die ­jemenitische Hauptstadt Sanaa eroberten, dürfte man in Riad alarmiert gewesen sein. Die Houthi-Rebellen gehören der Minderheit der schiitischen Zaidis an, deren Siedlungsgebiet im Nordjemen liegt und die ungefähr ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachten. Auch wenn die Houthis vorgeben, vor allem für die Gleichberechtigung der zaidischen Stämme einzutreten, erklären sie ihre Solidarität mit dem Iran und haben dessen antiamerikanische und antiisraelische Slogans übernommen. Kurz nach der Einnahme Sanaas wurden die ersten Direktflüge zwischen Sanaa und Teheran aufgenommen.

Während Angehörige des ideologischen Establishments der Islamischen Republik sich brüsten, dass der iranische Einfluss nun vom Jemen bis zum Mittelmeer reicht, haben die Golfstaaten ihre Botschaften panisch von Sanaa ins südjemenitische Aden verlegt. Dorthin hat sich die 2012 an die Macht gekommene jemenitische Regierung von Abed Rabbo Mansour Hadi nach dem Umsturz in Sanaa geflüchtet. Doch auch der Süden des Landes ist keineswegs völlig unter ihrem Einfluss, weite Teile kontrollieren sunnitische Jihadisten von al-Qaida und anderen Organisationen.
In Saudi-Arabien dürfte der Machtwechsel im Jemen zu einem wachsenden Gefühl der Einkreisung beigetragen haben. Was die Ängste im Königshaus verstärkt, ist die Annäherung zwischen ihrer traditionellen Schutzmacht USA und dem Iran. Eine von vielen Politikern im Westen herbeigesehnte Einigung in den Atomverhandlungen dürfte für das Königshaus eher einem worst case-Szenario nahe kommen. Der Rivale um die Vorherrschaft in der Region und die große konfessionelle Gegenmacht wäre nicht mehr isoliert.
Das Königshaus reagiert auf dieses Szenario mit dem Versuch, eine breite regionale Allianz zu schmieden, um den iranischen Einfluss einzudämmen. In den strategischen Planungen des Königshauses kommt Pakistan die wichtigste Rolle zu. Zwischen den beiden Ländern besteht seit Jahrzehnten eine rege Kooperation, vor allem im militärischen Bereich. Erst im Jahr 2013 investierte Saudi-Arabien 1,5 Milliarden Dollar in gemeinsame Sicherheitsprojekte mit Pakistan.

Das östliche Nachbarland des Iran ist zudem Atommacht und verfügt über das am schnellsten wachsende Arsenal der Welt. Experten vermuten, dass auch saudisches Geld das pakistanische Atomwaffenprogramm mitfinanziert hat. Somit könnte, wenn der Iran zur Nuklearmacht wird, sich Saudi-Arabien möglicherweise einfach und schnell Atombomben beschaffen – das Königreich würde sie von Pakistan kaufen.
Pakistan scheint jedoch derzeit vor einer allzu deutlichen Parteinahme im saudisch-iranischen Hegemonialkonflikt zurückzuschrecken. Ein Ansinnen des Königshauses, pakistanische Soldaten zur Sicherung der jemenitisch-saudischen Grenze zu stationieren, wurde von der pakista­nischen Regierung vorerst abgelehnt. Auch in Pakistan gibt es eine schiitische Minderheit, und in den vergangenen zehn Jahren ist die interkonfessionelle Gewalt im Land deutlich angestiegen. Zudem stehen beträchtliche Teile der pakistanischen Gesellschaft dem saudischen Einfluss in Pakistan kritisch gegenüber. Der Vorwurf, saudisches Geld fließe in Stiftungen und Koranschulen, in denen ein radikaler wahhabitischer Islam gepredigt wird, ist auch in Pakistan weit verbreitet.

Der zweite große Partner in der von Saudi-Arabien anvisierten sunnitischen Allianz gegen den Iran ist Ägypten. In Präsident Abd al-Fattah al-Sisi hat das Königreich zwar einen verlässlichen Partner, doch wirklich von Nutzen im saudisch-iranischen kalten Krieg ist Ägypten kaum. Die ägyptische Staatskasse ist zwar nach wie vor auf Finanzhilfe aus den Golfstaaten angewiesen, doch es gilt als unwahrscheinlich, dass Ägypten im Gegenzug durch die Stationierung von Soldaten bei der Sicherung der saudisch-jemenitischen Grenze hilft. Das ägyptische Militär ist wegen der Bedrohung durch Jihadisten auf dem Sinai im eigenen Land hinreichend gefordert. Mit den eskalierenden Konflikten im Nachbarland Libyen ist zudem ein weiterer Unruhefaktor an der westlichen Landesgrenze hinzugekommen.
So scheint das saudische Königshaus darauf zu setzen, auch Länder für seine sunnitische Allianz zu werben, die bisher relativ stabile Beziehungen mit dem Iran hatten. Anfang März folgte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan der Einladung König Salmans und kam nach Riad. Der letzte Konflikt zwischen der Türkei und dem Iran ist lange her – es handelte sich um einen Grenzkonflikt zwischen dem osmanischen und dem persischen Reich im Jahr 1639. Noch ist unklar, ob der saudische Versuch, die Türkei und Ägypten in die sunnitische Allianz zu integrieren, erfolgreich sein wird. Seit der Machtübernahme des ägyptischen Militärs im Sommer 2013 stehen sich die Regierungen beider Länder unversöhnlich gegenüber.
Den entschiedensten Lobbyisten gegen wachsenden iranischen Einfluss in der Region dürfte das saudische Königshaus allerdings woanders finden – im wiedergewählten israelischen Präsidenten Benjamin Netanyahu, der mit dem Thema Iran einen Großteil seines Wahlkampfs bestritten hat. Eine Einladung Netanyahus nach Riad dürfte freilich noch etwas auf sich warten lassen.