Der Westen will mit Syrien verhandeln

Faustisch ohne Plan

Westliche Politiker wollen mit dem syrischen Diktator Bashar al-Assad verhandeln. Aber worüber?

Nicht wirklich gut beraten schien US-Außenminister John Kerry, als er in einem Interview seine Bereitschaft erklärte, mit Präsident Bashar al-Assad verhandeln zu wollen – ausgerechnet am 15. März, dem Jahrestag des Ausbruchs der Aufstände in Syrien. Zwar ruderte die US-Regierung kurze Zeit später zurück – inzwischen hatte die syrische Armee erneut mit tödlichen Folgen Chloringas zum Einsatz gebracht –, doch der Schaden war angerichtet. Zumindest bei der syrischen Opposition hat die US-Regierung längst jede Glaubwürdigkeit verspielt. Positiv aufgenommen wurde Kerrys Vorstoß dagegen in Deutschland, wo Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, ein Ende der Gewalt in Syrien sei einzig »über Verhandlungen für eine politische Lösung« zu erreichen, auch wenn dies Gespräche mit ­Assad notwendig mache.
Sofort meldeten sich diverse Experten zu Wort, die den beiden Außenministern Schützenhilfe gaben. Man müsse notfalls auch faustisch mit dem Teufel reden, hieß es, Realpolitik erfordere manchmal eben die Aufgabe moralischer Grundsätze. Nun verfolgen weder die USA noch die EU hehre Ziele in Syrien, von regime change oder Demokratisierung wird, wenn überhaupt, nur noch in abfälligem Ton geredet. Wäre es dem Assad-Regime mit iranischer und russischer Hilfe gelungen, ganz Syrien wieder unter seine Kontrolle zu bringen und die Rebellen zu besiegen, hätte es mehr als ein paar lahme Proteste aus westlichen Hauptstädten nicht gegeben.
Nur hat, trotz massiver Hilfe von seinen Verbündeten, Assad in letzter Zeit eben keinerlei militä­rische Erfolge vorzuweisen. Groß angekündigte Offensiven im Norden und Süden des Landes scheinen kläglich gescheitert zu sein, und wenn es, was selten der Fall ist, zu Zusammenstößen zwischen syrischer Armee und »Islamischem Staat« kommt, zieht erstere sich regelmäßig nach schweren Verlusten zurück.
Worüber also wollen die vorgeblichen Realpolitiker mit dem syrischen Diktator, der inzwischen nicht einmal mehr Herr im eigenen Haus ist, eigentlich verhandeln? Das Sagen in Damaskus haben Berater aus Teheran, wo man Syrien neben dem Irak und Jemen inzwischen als Teil eines neuen iranischen Imperiums bezeichnet. Auf den Schlachtfeldern kämpfen auf Seiten Assads unzählige schiitische Milizen, über die das Regime kaum mehr Kontrolle ausübt, Wirtschaft und Infrastruktur Syriens liegen darnieder, die von der Regierung kontrollierten Gebiete werden notdürftig mit russischen und iranischen Krediten über Wasser gehalten.
Selbst wenn Assad plötzlich verhandeln wollte, natürlich, wie schon 2011, unter der Bedingung, dass er an der Macht und alles beim Alten bleibe, er hätte so wenig anzubieten wie auf der anderen Seite die USA und die EU. Was nach Realpolitik klingt, ist also in Wirklichkeit weder realistisch noch moralisch. Und genau diese Mischung macht westliche Syrien-Politik seit vier Jahren aus. Man wartet ab, während die Zahl der Getöteten, Gefolterten und Geflohenen von Monat zu Monat steigt, und hofft, dass sich das Problem eines Tages vielleicht von selbst löse. Die Forderung, notfalls auch mit dem Teufel zu verhandeln, sollte dies helfen, die Gewalt zu beenden, kaschiert nur notdürftig, dass man im Westen weder einen Plan und eine Idee hat noch den Willen oder die Mittel, sie durchzusetzen.