Die deutsche Griechenland-Politik

Hört die Signale

Für den Abschied von der deutschen Austeritätspolitik bleibt nicht mehr viel Zeit.

Die Worte waren freundlich, die Gesten bemüht. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versuchten bei ihrem Treffen Anfang der Woche in Berlin, einen möglichst positiven Eindruck zu vermitteln. Dabei hat sich trotz aller Absichtserklärungen nur wenig an der Ausgangslage geändert. Ohne weitere Hilfszahlungen ist Griechenland bald pleite. Diese gibt es jedoch nur unter Auflagen, die wiederum Tsipras nicht mehr akzeptieren will. Und auch die Bundesregierung lässt sich nicht von ihrem eingeschlagenen Kurs abbringen. Die Euro-Rettung ist auf Autopilot eingestellt, lautet die simple Botschaft aus Berlin. Selbst wenn sich der griechische Krisenflieger längst im Sturzflug befindet, darf an dem programmierten Ablauf nicht gerüttelt werden.
Falls das gemeinsame Projekt zerschellt, kennt man in Deutschland immerhin schon den Schuldigen. Seit das linke Bündnis Syriza in Athen reagiert, werden in den Boulevardzeitungen wieder die üblichen Stereotype bemüht und die Repräsentanten der griechischen Regierung mit dem Stinkefinger durch Talkshows getrieben. Der Hass auf die Griechen gleicht dabei einer konformistischen Rebellion. Die Ressentiments gegen die Wirtschaftseliten werden auf jene übertragen, die besonders unter der dogmatischen Austeritätspolitik zu leiden haben. Demnach verprassen die vermeintlich gewissenlosen Griechen die hart erarbeiteten deutschen Steuergelder – und verhalten sich dann auch noch unverschämt gegenüber ihren Gläubigern, weil sie nicht mehr glauben, dass weiteres Sparen sinnvoll ist. Kaum jemand will überhaupt noch wissen, wie die Krise ursprünglich begonnen hat. Die Hilfszahlungen der sogenannten Troika kamen vor allem deutschen und französischen Banken zugute, die mit öffentlichen Geldern gerettet wurden. Seitdem dreht sich das Schuldenkarussel. Die Regierung in Athen erhält neue Kredite, um alte Schulden abzutragen. Das Spiel könnte wohl ewig weitergehen, wenn nicht nebenbei die griechische Wirtschaft kollabieren würde.
Skandalös an der deutschen Austeritätspolitik ist nicht nur die immense soziale Ungerechtigkeit, die sie in allen Euro-Ländern erzeugt. Noch gravierender ist ihre Unvernunft. Sie verschlimmert die Probleme, anstatt sie wenigstens abzumildern. Sie führte Griechenland in die schlimmste wirtschaftliche Krise seiner neueren Geschichte, die es wiederum erheblich erschwert, endlich die korrupten staatlichen Strukturen zu zerschlagen. Sie führt zur Renationalisierung in Europa und zerstört die Hoffnung, dass in der Euro-Zone halbwegs rational über die gemeinsamen Ressourcen entschieden werden kann. Stattdessen orientiert sich der halbe Kontinent an einem Plan, der offensichtlich nicht funktioniert. Schon längst geht es nicht um mehr vermeintlich notwendige Reformen, die durchgesetzt werden sollen, sondern um ein Prinzip, das in Deutschland heilig ist: Wer Schulden hat, der muss auch zahlen. Vorausgesetzt natürlich, es geht dabei nicht um alte Rechnungen aus der Nazizeit.
Viel Zeit, um eine Korrektur einzuleiten, bleibt nicht mehr. Die Zahlungsfähigkeit der griechischen Regierung bemisst sich mittlerweile nicht mehr in Monaten, sondern in Wochen oder vielleicht sogar nur noch in Tagen. Scheitert die Regierung, dann helfen auch keine freundlichen Worte oder Gesten. Dann beginnt das Ende des gemeinsamen Projekts namens Europa.