Watte für Wunden

Selig sind die, die wissen, wie der Hase läuft. Und Matthew E. White kennt jeden Haken. Der 32Jährige macht fromme Soul-Gospel-Americana, die die Feuilletons weltweit jubeln lässt. White fühlt, wo die Shaker hingehören, wo das Piano, wann man mit »Uh-lala-la-uh-la-la« und wann »Mhhm-mh-mh-mh-mhhm-hm« akzentuiert, und erst recht, wann die Bläser einsetzen müssen. Die Stimme: weich, ohne Kapriolen.
Er ist Sommelier und Dekorateur zugleich – und Restaurator. Und der weiße White weiß, dass diese geschmackvolle Zusammenstellung der Wiedergänger von Wiedergängern schwarzer Musik ist. Retro-Diskussionen sind hier müßig, vielmehr ist die Chuzpe interessant, mit der White das selbst hervorhebt. In »Rock & Roll is cold« macht er sich über die eigenen Zutaten lustig, anderswo singt er die Vorbilder direkt an: »Love is deep and twisted/Ain’t it so Marvin?/Ain’t it so Steveland?/( … )/Ain’t it so Miss Billie?« Der Unterschied: Bei Billie Holiday hing die »Strange Fruit« tot vom Baum, bei White wird unter den »Fruit Trees« Cola getrunken und Händchen gehalten.
Doch das Album, das White mit Gürtelrose im alten Kinderbett daniederliegend, zu schreiben begann, schürft auch tief: Es geht um die Freitode Philip Seymour Hoffmans und ­einer tief religiösen Bekannten, um eine Trennung und um Missbrauch in der Kirche. »Holy Moly« heißt das Lied dazu, übersetzt: ­Alter Falter! Diese Musik ist Watte für Wunden, »Fresh Blood« hinterlässt kaum Spuren.

Matthew E. White: Fresh Blood (­Domino/Goodtogo)