Neurechte Publikationen über Pegida

Ein unbürgerliches Trauerspiel

Die neurechte Zeitschrift Sezession widmet Pegida eine ganze Sonderausgabe. Das Heft liefert neben Innenansichten der Szene auch Einblicke in neue Allianzen.

Seit den Protesten der Dresdner »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (Pegida) und ihre zahlreichen bundesweiten Ableger bieten sich der Neuen Rechten ungewöhnliche Allianzen an.
Als Zauberlosung der intellektuellen Rechten galt bislang die Beschwörung der »Metapolitik«. Mit Tagungen, Debattenbeiträgen und öffentlichen Appellen sollte nach den Worten des langjährigen Strategen Karlheinz Weißmann vorzugsweise der Einfluss auf jene Köpfe erzielt werden, die auf den »Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen«. Diese Strategie richtete sich auf die sogenannte Elite in den Parlamenten, Redaktionen und Hochschulen, nicht auf die Aktivisten der Straße. Doch spielte die »metapolitische« Fraktion der Rechten seit Mitte der neunziger Jahre in den öffentlichen Kontroversen nur eine kleine Nebenrolle.

Den aufsehenerregenden, apokalyptischen Weckruf formulierten Dissidenten des bürgerlichen Lagers wie Thilo Sarrazin – die Neue Rechte verstärkte danach nur noch das Echo. Gruppen wie die von dem Verleger und Publizisten Götz Kubitschek gegründete »Konservativ-subversive Aktion« (KSA) blieben kurzfristige Phänomene, das neurechte Spektrum war auf kleine Zirkel beschränkt. Öffentliche Auftritte auf Demonstrationen hatten zudem Seltenheitswert.
Seit Pegida hat sich die Situation jedoch verändert. Kubitschek, Leiter des neurechten Antaios-Verlags und verantwortlicher Redakteur der vom Institut für Staatspolitik herausgegebenen Zwei-monatszeitschrift Sezession, trat mehrfach als Redner auf Kundgebungen der Pegida und Leipziger Legida auf. Seine Warnungen wie »Aber unser Volk darf nicht ausgetauscht werden« sind Grundmotive des Protests. In einem Anfang März erschienenen Sonderheft der Sezession mit dem schlichten Titel »Pegida« ist nun nachzulesen, wie die Zusammenarbeit mit den Organisatoren der sächsischen »Abendspaziergänge« verlief und welche Hoffnungen die neurechten Ideologieproduzenten mit der »durch und durch bürgerlichen Bewegung« Pegida verbinden.

Das Heft enthält unter anderem ein Interview mit dem Krimiautor Akif Pirinçci, der auf einer Veranstaltung der Bonner Bogida aus seiner Kampfschrift »Deutschland von Sinnen« vortrug und hier einen »Steuerboykott« vorschlägt. Befragt wird auch der Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der den Dialog mit der »Lügenpresse« verweigerte, aber schon in der Frühphase der Dresdner »Abendspaziergänge« gerade in (neu-)rechten Blättern wie Blaue Narzisse und Junge Freiheit viel Platz erhielt. Bachmann verrät seine Pläne für die Zukunft, die von einer »zentralen Kundgebung in der Hauptstadt« bis hin zur Beteiligung an den Oberbürgermeisterwahlen in sächsischen Städten wie Dresden, Freital oder Wilsdruff reichen. Die sich durch fast alle Artikel ziehende Standardpolemik gegen die politische Korrektheit des deutschen Journalismus wirkt hingegen überraschungsarm.
Erhellend sind im Sonderheft jene Beiträge, die Innenansichten aus der Szene bieten. Kubitschek berichtet über seine enge Kooperation mit Bachmann und Silvio Rösler, dem Kopf der Legida. Kubitscheks Gattin Ellen Kositza wiederum schreibt anschaulich über ihre »Binnenflucht – von Offenbach nach Dresden« und kontrastiert die von ihr ausgewählten empirischen Angaben zur »Islamisierung und Überfremdung« mit Anekdoten aus ihrem vormals hessischen Alltag mit Ausländern.
Kositza begründet ihre ganz eigene Variante der postkommunistischen Republikflucht von West nach Ost mit Beispielen, die nicht nur aus Boulevardblättern hinlänglich bekannt sind, hier aber wieder als unterdrückte Wahrheiten feilgeboten werden. Sie erinnert sich an die Belästigung, die sie als junge blonde deutsche Frau in Offenbach erlebt hat, sowie an ihre Zeit als Lehrerin an einer »multikulturellen« Schule. Sie erinnert sich an den Rektor, der von einem bosnischen Vater mit dem Messer bedroht wurde. Und an die migrantische Mutter, die ihr nach dem Unterricht auflauerte. Die Pointe ist: Kositza hatte dem Sprössling der aufgebrachten Mutter zuvor eine Ohrfeige gegeben.

Kositza bemüht zur Illustration des Widerstands gegen die »Überfremdung« der deutschen Lebenswelt die Geschichte vom Frosch und dem heißen Wasser. Der Frosch, das ist für sie die autochthone Bevölkerung. In Städten wie Offenbach wurde der westdeutsche Frosch im multikulturellen Topf langsam »morschgekocht«. Ihr sächsischer Frosch aber lässt die »Islamisierung« gar nicht erst zu – und springt rechtzeitig aus dem Wasser. Der rhetorische Präventivschlag der sächsischen Pegidisten gegen die »Islamisierung« erhält hier eine prägnante Begründung.
Das Sonderheft der Sezession verdeutlicht neben den aktuellen Vernetzungen zwischen den neurechten »Metapolitikern« und Pegida-Aktivisten auch die politischen Grenzen dieser Annäherung. Zu den Beiträgern des Heftes zählen neben Redakteuren und Stammautoren wie Erik Lehnert, Martin Lichtmesz und dem emeritierten Literaturprofessor Günter Scholdt kaum prominente Abtrünnige aus dem konservativen bürgerlichen Lager. In dieser Sezession finden sich lediglich ein ehemaliger Redakteur der Süddeutschen Zeitung, der Katzenkrimiautor Pirinçci sowie der französische Autor und Lektor Richard Millet.
Das intellektuelle Bataillon für eine bundesweit erfolgreiche Offensive von rechts ist noch überschaubar. Zudem bleibt das Niveau auch bei Emeritus Günter Scholdt, einem ausgewiesenen Kenner der Exilliteratur, bezeichnend dünn. Bildungsbürger Scholdt zetert gegen die »Gutmenschen« und verteidigt den Vorwurf der »Lügenpresse« aufgrund der angeblichen Vorverurteilung von Pegida. Sein Artikel wird durch ein Zitat aus Erich Kästners »Fabian« aus dem Jahre 1931 ergänzt: »Glauben Sie mir, mein Lieber, was wir hinzudichten, ist nicht so schlimm wie das, was wir weglassen.« Das Zitat erweist sich als verräterisches Motiv für seine ideologisch einseitige Presseschelte. Denn Scholdt empört sich, dass Lutz Bachmann »ein (allenfalls geschmackloser) Hitler-Bärtchen-Scherz« in die Schlagzeilen brachte. »Weglassen« wollte Scholdt wohl die Tatsache, dass Bachmann vor allem wegen seiner rassistischen Tiraden auf Facebook (»Gelumpe«, »Viehzeug«, »Dreckspack«) unter öffentlichen Druck geriet. In anderen Beiträgen des Heftes werden diese Schmähungen beispielsweise als »derbe Worte gegen Ausländer« verharmlost.
So wächst im Sonderheft zusammen, was inzwischen zusammengehört – neurechte Publizisten und Professoren hofieren nun die Plebejer. Im Kulturkampf für das »Abendland« gelten gegenwärtig selbst durch und durch unbürgerliche Figuren wie Lutz Bachmann als politisch kreditwürdig. Dabei pflegte der Pegida-Chef zur Bürgerlichkeit als Lebensform bislang ein – höflich gesagt – eher ironisches Verhältnis. Und dass Hooligans und Neonazis die Kundgebungen der »besorgten Bürger« von Anfang an unterstützen und bei der Pegida im Westen sogar dominieren, wird höchstens als zersetzende Propaganda des Mainstream-Journalismus abgetan.
Mit Pegida strebt die Neue Rechte jenseits ihrer bisherigen Rolle als Diskursverstärker eine organische Einheit von »Metapolitik« und Straßenprotest an. Und inspiriert von den »Abendspaziergängen« der Pegidisten werden sich in diesem Jahr wohl noch bemerkenswerte Bündnisse zeigen. Für den 13. April wird eine Dresdner Rede von Geert Wilders angekündigt. Das Sonderheft der Sezession bietet ein Zwischenfazit der bisherigen Allianzen und Positionen aus der neurechten Binnenperspektive.