Die Lage der ägyptischen Wirtschaft

Eine Stadt für die Generäle

Die ägyptische Regierung wirbt um Investitionen, bleibt aber abhängig von Finanzhilfe aus den Golfmonarchien.

Ägyptens Ministerpräsident Ibrahim Mahleb gab sich nach der großen Investorenkonferenz, die seine Regierung Mitte März in Sharm al-Sheikh veranstalten ließ, zuversichtlich. Die Veranstaltung mit dem Titel »Egypt – The Future« sollte arabische Investoren aus der Golfregion und internationale Firmen überzeugen, in Ägypten zu investieren. Mahleb sprach von Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Dollar, die auf der Konferenz vereinbart worden seien, ein bedeutender Teil davon für Großbauprojekte. Diese dürften nach dem Geschmack des Ministerpräsidenten sein, der in den nuller Jahren Geschäftsführer der größten ägyptischen Baufirma Arab Contractors war, die vor allem staatliche Großprojekte umsetzte. Finanzminister Hany Kadry Dimian relativierte Mahlebs Optimismus allerdings umgehend. Bei dem Betrag von 60 Milliarden Dollar handele es sich in erster Linie um Absichtserklärungen für Projekte, deren Verwirklichung längst noch nicht ausgemacht sei.
Eines dieser skizzierten Großprojekte ist der Bau einer neuen Verwaltungshauptstadt in der Wüste nahe Kairo. Federführend dabei war Mohammed Alabbar, der Vorsitzende der Immobilien- und Baufirma Emaar Properties aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Vorschlag Alabbars sieht vor, dass seine Firma vom ägyptischen Staat gratis Bauland zur Verfügung gestellt bekommt und dafür im Gegenzug die Errichtung der Retortenstadt finanziert. Private Gebäude sollen später gewinnbringend von Emaar Properties verkauft, die Regierungsgebäude hingegen gratis dem ägyptischen Staat zur Verfügung gestellt werden. Der Kalkulation von Emaar Properties zufolge soll die Bauzeit fünf bis sieben Jahre betragen, die Kosten sollen sich auf 45 Milliarden Dollar belaufen.

Skeptische Stimmen bemerkten, dass auf der Konferenz zwar große Projekte anvisiert worden seien, aber wenig beschlossen wurde, was die marode ägyptische Wirtschaft kurzfristig stimulieren könnte. Der Ökonom Omar al-Shenety monierte, dass kaum etwas in die Wirtschaftssektoren Landwirtschaft und Industrie fließe. Zwar hat sich im Bereich der Industrie und des Tourismus im ersten Jahr nach der Machtübernahme des Militärs eine deutliche Erholung abgezeichnet, doch dieser Trend scheint sich den jüngsten Daten zufolge im neuen Jahr nicht fortzusetzen. Nachhaltige Investitionen in Ägypten seien letztlich von einer verbesserten Sicherheitslage im Lande abhängig und davon, ob in absehbarer Zeit ein neues Parlament gewählt werde. Beides wären Signale der Stabilität für internationale Firmen, die das Vertrauen der Investoren erhöhen würden, so al-Shenety.
Eben dieses Vertrauen versuchten militante Gruppen vor der Konferenz durch eine Serie von Anschlägen auf Filialen internationaler Firmen zu untergraben. Ende Februar starb ein Mensch, als Sprengsätze vor den Filialen der Telekommunikationsfirmen Vodaphone und Etisalat im Kairoer Stadtteil Giza detonierten. Am 9. Februar kam eine Person bei einer Explosion auf einem Parkplatz vor einem Supermarkt der französischen Kette Carrefour in Alexandria ums Leben. Schließlich kam es zwei Tage vor Beginn der Investmentkonferenz ebenfalls in Alexandria zu einer Serie von Anschlägen auf die Filialen der Banken HSBC, Barclays und Piraeus, bei der mehrere Menschen verletzt wurden. Alle angegriffenen Firmen gehörten zu den Teilnehmern der Konferenz in Sharm-al-Sheikh.

Zu den Anschlägen auf die Bankfilialen bekannte sich eine Gruppe mit dem Namen »Bestrafung der Revolution«, für die Anschläge auf die Telekommunikationfirmen reklamierte eine Gruppe namens »Widerstandsbewegung des Volkes« die Verantwortung. Die ideologische Zugehörigkeit der Gruppen ist noch nicht zweifelsfrei geklärt, unklar ist auch, ob größere Organisationen hinter ihnen stehen. Verantwortliche des Sicherheitsapparates halten Mitglieder der Muslimbruderschaft für die Drahtzieher. Der ehemalige General Khaled Okasha sagt: »Bei beiden Gruppen handelt es sich um Arme der Muslimbruderschaft, die sich lediglich verschiedene Namen geben, um die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.« Die relativ geringe Opferzahl ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Explosionen mit kleinen, improvisierten Sprengsätzen ausgelöst wurden und in einigen Fällen im Morgengrauen stattfanden. Im Verlauf des vergangenen Jahres fanden in Ägypten immer wieder kleinere Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen statt. Die Ziele der Attentäter waren in erster Linie Polizeistationen und andere staatliche Einrichtungen, die Opferzahl blieb verhältnismäßig gering.
Vor der Investorenkonferenz scheinen diese Gruppen durch eine erhöhte Zahl der Anschläge und eine Ausweitung der Ziele auf Firmenfilialen internationaler Unternehmen versucht zu haben, diese von der Teilnahme an der Konferenz oder von Investitionen abzuhalten. In der ersten Märzhälfte fand fast jeden zweiten Tag ein Anschlag auf Polizisten, staatliche Einrichtungen oder Firmenfilialen statt. Unter den Zielen waren auch der Oberste Gerichtshof in Kairo und eine Polizeistation in Assuan. Ingesamt kamen bei dieser Anschlagsserie rund ein Dutzend Menschen ums Leben, die Mehrheit davon Polizisten, die die Gebäude bewachten. Ob die militanten Gruppen mit ihrer Strategie Erfolg haben werden, bleibt fraglich. Die Aktivitäten internationaler Firmen in Ägypten stagnieren seit dem Sturz des autoritären Präsidenten Hosni Mubarak im Februar 2011 ohnehin auf niedrigem Niveau, die Machtübernahme des Militärs hat daran wenig geändert.
Das Gros der Investitionen in Ägypten kommt aus den Golfstaaten, vor allem aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, und diese haben nach wie vor ein strategisches Interesse, die Regierung Abd al-Fattah al-Sisis zu stützen. Ohne die Gelder vom Golf wären die Entspannung der Haushaltslage und die Aufrechterhaltung der kostspieligen Subventionspolitik nach der Machtübernahme des Militärs nicht möglich gewesen. Zwar gehen auch in den Golfstaaten die Einnahmen aus Öl und Gas zurück, da der Preis niedrig ist und auf diesem Niveau gehalten werden soll – Beobachter sehen darin eine Strategie der Golfstaaten und der USA, um den Sanktionen gegen den Iran und Russland mehr Gewicht zu verleihen. Mit einem Ende der Finanzhilfe der Golfstaaten für Ägypten ist jedoch vorerst nicht zu rechnen. Auf der Konferenz in Sharm al-Sheikh wurde ein weiteres Hilfspaket über zwölf Milliarden Euro beschlossen.

Letztlich ist das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Ägypten und den Golfmonarchien nicht so einseitig, wie es auf den ersten Blick erscheint – das legt der Blick auf die Koalition nahe, die Saudi-Arabien gegen die Houthi-Rebellen im Jemen geschmiedet hat (siehe Seite 12). Neben der mit deutschen und US-amerikanischen Waffen hochgerüsteten saudischen Armee soll Ägypten das größte Kontingent in der »sunnitischen Allianz« gegen die schiitischen Stämme aus dem Nordjemen stellen.
Ein Sprecher des ägyptischen Außenministeriums nannte die »historische Verantwortung Ägyptens für die arabische nationale Sicherheit und die Sicherheit der Golfregion« als Grund für die Beteiligung an der Militärintervention. Das deutet auf die Fortsetzung einer Zusammenarbeit hin, die es spätestens seit der Machtübernahme Mubaraks im Jahr 1981 gibt, deren Grundlage aber nicht offen ausgesprochen wird: Finanzhilfen und Konzessionen bei Öl und Gas seitens der Golfstaaten gegen diplomatische und notfalls militärische Unterstützung aus Ägypten.
Nicht überall in Ägypten stößt diese Übereinkunft auf Zustimmung. Kritiker bezweifeln, dass ägyptische Sicherheitsinteressen durch die Machtübernahme der Houthis im Jemen wirklich in Gefahr sind. Sie sehen in der Teilnahme an der Koalition vielmehr eine Vereinnahmung Ägyptens im saudisch-iranischen Konflikt um die Vorherrschaft am Golf. Der Politikwissenschaftler Amr Abd al-Rahman sagt: »Die Teilnahme an der Koalition wird Ägypten in Zukunft noch stärker dem Willen des saudischen Königshauses unterwerfen.«