Spinner und Spinne

Prince Charles hat es nicht leicht. Seit Jahrzehnten wartet er auf den Thron, doch weiterhin erfreut sich die 89jährige Elizabeth II. einer eisernen Gesundheit. Daher widmet sich Charles neben seinen repräsentativen Pflichten königlichen Landgütern, der Keksproduktion, der Wohlfahrt, dem Umweltschutz und vor allem seinem liebsten Hobby: der Rechthaberei. Damit kommt er nicht überall gut an. Der wohlmeinende britische Telegraph adelt ihn zwar zum »public intellectual«, das weniger respektvolle US-amerikanische Online-Magazin Slate nennt ihn hingegen einen »Spinner«. Denn seit Charles 1982 von der British Medical Association eine Umorientierung forderte, die die »Verbindung zum Kosmos« berücksichtigen müsse, propagiert er unermüdlich die Homöopathie und andere Formen der Quacksalberei. Seine Ansichten über ästhetische und kulturelle Themen können zudem als Beweis dafür gelten, dass die ehrwürdige Tradition des Spleens in Großbritannien noch gepflegt wird.
Nun droht neues Ungemach. Denn der Guardian gewann vorige Woche einen zehnjährigen Rechtsstreit, Charles’ Korrespondenz mit diversen Ministerien muss nun veröffentlicht werden. Das mit der Befürchtung, der Prinz habe unzulässigerweise die Politik zu beeinflussen versucht, begründete Begehren war zunächst mit der bezeichnenden Erklärung abgelehnt worden, die Veröffentlichung könne Zweifel an Charles’ politischer Neutralität aufkommen lassen. Bereits jetzt weiß man, dass die wegen der krakeligen Handschrift als »Black Spider Memos« bekannten Briefe mit ihren vielen Ausrufezeichen, emotionalen Ausdrücken und Unterstreichungen eher unköniglich wirken. Als Empfänger von EU-Agrarsubventionen – 2004 knapp eine Million Euro – könnte Charles auch schnöde Eigeninteressen vertreten haben. Das wäre in der Geschichte der Monarchie kein Novum, doch gewinnt der Republikanismus in Großbritannien an Zuspruch und das Königshaus verdankt den verbliebenen Respekt vornehmlich dem huldvollen, in Cremefarben gehüllten Schweigen von Elizabeth II. Ein mit 66 Jahren noch nicht erwachsen gewordenes esoterisches Plappermaul auf dem Thron könnte der Monarchie den Rest geben. Somit wird Prince Charles vielleicht doch noch eine wichtige historische Aufgabe erfüllen.