Das Massaker in Kenia

Ungeliebte Routine

Im Westen wächst die Gleichgültigkeit ­gegenüber dem islamistischen Terror, gern delegiert man die Verantwortung.

Am Donnerstag vergangener Woche traf es Studierende im kenianischen Garissa, fast 150 Menschen wurden ermordet. Das Massaker war nur der spektakulärste Anschlag der somalischen Jihadisten von al-Shabab, wenige Tage zuvor waren beim Angriff auf ein Hotel in Mogadishu mindestens 20 Menschen getötet worden. Im globalen Nachrichtengeschäft rangierte das Massaker von Garissa vor der Eroberung von Yarmouk durch den »Islamischen Staat«, weil der Bürgerkrieg in Syrien das Publikum mittlerweile langweilt. Doch werden auch die ermordeten kenianischen Studierenden bald vergessen sein, ebenso wie die von Boko Haram entführten nigerianischen Schülerinnen – die meisten von ihnen sind noch immer in Gefangenschaft.
Der islamistische Terror wird mehr und mehr als unabänderliches Ärgernis im Lauf der Welt wahrgenommen. Routiniert empören sich Medien und Politiker, doch wie der seit nunmehr fast einem Vierteljahrhundert andauernde Bürgerkrieg in Somalia beendet werden kann, wird nicht einmal mehr gefragt.
Der Kampf gegen die Jihadisten kann nicht an Staaten delegiert werden, denen dazu die Mittel fehlen. Kenia, das Truppen nach Somalia entsandt hat, ist eine parlamentarische Demokratie, doch geprägt von Klientelismus und informellen Machtstrukturen. Nach den manipulierten Wahlen des Jahres 2007 wurden mehr als 1 100 Menschen getötet, nur mühsam gelang es, die Gewalt einzudämmen. Gezielt töteten die Jihadisten, die ansonsten keine Probleme mit der Ermordung von Muslimen haben, in Garissa fast ausschließlich Christen, um einen konfessionellen Konflikt anzuheizen. Polizei und Militär Kenias können die Bevölkerung nicht schützen, und dies nicht allein wegen organisatorischer Unzulänglichkeiten. Im Jahr 2013 gab Kenia 861 Millionen Dollar für das Militär aus, das sind weniger als 0,2 Prozent dessen, was die USA aufwendeten. Wie andere schwach institutionalisierte und arme afrikanische Staaten ist das Land mit einem größeren Kriegsein­satz schlicht überfordert.
Der Kampf gegen den islamistischen Terror sollte aber auch nicht an Staaten delegiert werden, die zur Eskalation beitragen. Solventer und besser gerüstet als Kenia ist Saudi-Arabien, das auf der anderen Seite des Golfs von Aden im Jemen militärisch gegen die Houthi-Rebellen, politisch aber gegen den Iran interveniert. Dessen islamistisches Regime ist zum informellen Verbündeten des Westens im Kampf gegen den »Islamischen Staat« geworden, der aus von Saudi-Arabien unterstützten islamistischen Gruppen hervorgegangen ist. Zählt man Pakistan hinzu, das den Terror in Afghanistan und Indien fördert, sind nunmehr die drei wichtigsten staatlichen Unterstützer des Jihadismus Partner des Westens im Kampf gegen den Jihadismus.
Das zeigt die politische Gleichgültigkeit. Die Demokratiebewegung in Afrika und im Nahen Osten wurde zunächst ignoriert, nach ihren ersten Siegen anerkannt, aber nicht ernsthaft unterstützt, nun überlässt man diktatorischen Regionalmächten das Feld. Die Kenianer haben, so unvollkommen und problematisch der Demokratisierungsprozess auch sein mag, etwas zu verteidigen, doch fehlen ihnen ausreichende Mittel. Wo die Förderer des Islamismus intervenieren, bleibt nur die Wahl zwischen den Schlächtern verschiedener Konfessionen und Fraktionen.