Hamburger Wohnungslose sollten Touristen weichen

Hamburg trainiert für Olympia

Winternotquartiere für Obdachlose sollten im Sommer zu Hostels für Touristen werden. Doch aus dem Einfall der Hamburger Stadtverwaltung wurde nichts.

Treffender als Douglas Adams in »Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele« hat es bisher niemand ausgedrückt: »Hier waren die Leute, von denen überhaupt niemand etwas haben wollte. Hier versammelten sie sich, um ein Dach über dem Kopf zu haben, bis sie in regelmäßigen Abständen verscheucht wurden. Es gab tatsächlich etwas, was man von ihnen wollte – ihre Abwesenheit. Die war sehr gefragt, aber nicht leicht zu haben. Jeder musste schließlich irgendwo sein.«
Wer Hamburg besucht, wird früher oder später eine der Brücken unweit des Hauptbahnhofs überqueren und dabei ein Panorama genießen, auf das man in der Stadt überaus stolz ist. Richtung Süden geht der Blick über die Binnenalster auf den schmucken Jungfernstieg, auf der anderen Seite öffnet sich die Außenalster mit ihren weißen Schiffchen und den angrenzenden Nobelstadtteilen Rotherbaum, Harvestehude und Uhlenhorst.

Unter den Brücken zeigt sich allerdings die weniger zum Angeben geeignete Seite der alles andere als armen Stadt. Dort und in den benachbarten Grünanlagen befindet sich eine kleine Zeltkolonie, in der Wohnungslose eine notdürftige Bleibe finden. In den vergangenen Wochen dürfte es hier noch voller geworden sein, denn mit dem Ende des Winternotprogramms der Stadt Anfang April müssen nun etwa 900 Menschen mehr sehen, wo sie in den kommenden Monaten bleiben.
Der städtische Betreiber »Fördern und Wohnen« hat bereits eine lukrative Idee für die nun leerstehenden Unterkünfte. Wie das Straßenmagazin Hinz & Kunzt berichtete, befand sich »Fördern und Wohnen« in Verhandlungen mit einem Unternehmen, das eine bisher für das Notprogramm genutzte Siedlung von Wohncontainern im Stadtteil Hammerbrook in den Sommermonaten als Hostel an Rucksacktouristen vermieten will.
Dass nicht wenige Menschen diese Pläne für zynisch halten würden, war abzusehen. Und so wiegelte die Stadtverwaltung nach dem Losbrechen des Shitstorms erst einmal ab: Es werde keine Vermietung an Touristen geben, sagte man der Hamburger Morgenpost, zumal eine ganztä­gige, dauerhafte Nutzung wegen der Abgase und des Lärms gar nicht zulässig sei. Für die nächtliche Unterbringung von Obdachlosen scheint dies hingegen völlig akzeptabel zu sein, aber die werden tagsüber ja auch an die gesunde frische Luft gesetzt. Nachdem Christiane Schröder, Sprecherin von „Fördern und Wohnen“, gegenüber Hinz & Kunzt zwar kurz darauf bekräftigt hatte, dass man bereits Planungsdetails bespreche, setzte sich in der Stadtverwaltung wohl die Erkenntnis durch, daß das Vorhaben nicht gerade imagefördernd wäre. Und so war die Idee Anfang der Woche dann doch vom Tisch. Was denen, die die Unterkünfte benötigen, aber nichts bringt. Nun stehen die Container über den Sommer eben leer.
Dabei hätte sich eine touristische Nutzung nahtlos in eine Politik eingefügt, die nicht erst seit der Olympia-Bewerbung alles daransetzt, die Stadt als Tummelplatz für zahlungskräftige Gäste zu vermarkten – was nicht nur ein Ärgernis für diejenigen ist, die regelmäßig Massenbesäufnisse wie den »Schlagermove« ertragen müssen, sondern vor allem zu Lasten all derer geht, die nicht in die Hochglanzansicht passen, mit der Hamburg sich der Welt präsentieren will.

Nun könnte die Stadt mit einer entsprechenden Wohnungspolitik dafür sorgen, dass niemand auf der Straße leben muss – oder wenigstens die Notunterkünfte, wie immer wieder gefordert wird, ganzjährig öffnen. Doch selbst dazu zeigen sich die Verantwortlichen nicht bereit. Zum sozialen Wohnungsbau finden sich im soeben von SPD und Grünen vorgestellten Koalitionsvertrag nicht mehr als einige lauwarme Worte, ganz so, als habe man im angehenden Senat noch nie von immer weiter steigenden Mieten gehört, die sich selbst Normalverdiener kaum noch leisten können. Zwar verspricht der Vertrag auch ein »Sofortprogramm« für Wohnungslose. Als Hinz &  Kunzt allerdings nachfragte, was darunter zu verstehen sei, lautete die Antwort lapidar, dies heiße, »sich sofort Gedanken zu machen«. Doch Gedankengebäude liefern bekanntlich noch kein Dach über dem Kopf. Und so wird es für Hamburgs Obdachlose – sofern sie nicht sofort wieder vertrieben werden – wohl auch weiter beim unfreiwilligen Wohnen im Grünen bleiben.