Die »European Maccabi Games« in Berlin

Große Symbolik, wenige Sponsoren

In knapp 100 Tagen beginnen in Berlin die European Maccabi Games. Die deutsche Wirtschaft hält sich bei der Unterstützung der ersten Makkabi-Spiele in Deutschland auffällig zurück.

Die Zeit werde »immer knapper«, sagt Oren Osterer, der Organisationschef der European Maccabi Games (EMG) 2015. Der 34jährige arbeitet mit seinem Team aus einem Dutzend Mitarbeitern, Praktikantinnen und Bufdis, also Leuten vom Bundesfreiwilligendienst, in einer Altbauwohnung in Berlin-Kreuzberg. Zusammen organisieren sie eines der größten Sportevents des Jahres in Deutschland. Ende Juli, in knapp 100 Tagen, beginnt das Treffen jüdischer Sportler aus ganz Europa.
»Inzwischen erwarten wir etwa 2 300 Teilnehmer aus 37 Ländern«, erzählt Oren Osterer. »Das Estrel-Hotel, in dem die Athleten untergebracht sein werden, stößt langsam an seine Grenzen.« Geplant wurde zunächst mit 2 000 Teilnehmern, bei den EMG 2011 in Wien waren es noch 1 830 aus 28 Ländern. In 20 verschiedenen Sportarten werden 110 Wettkämpfe ausgetragen. Die meisten Wettbewerbe finden auf dem – hochsymbolischen – Gelände der Olympischen Spiele von 1936 statt, fünf Sportarten (wie etwa Tennis und Golf) auch an anderen Orten im Berliner Stadtgebiet.
Damit werden die Spiele die größten European Maccabi Games, die es je gab. Die EMG haben eine lange Tradition: Erstmals fanden sie 1929 in Prag statt, gefolgt von Spielen in Antwerpen 1930. Nach 30jähriger Unterbrechung fanden 1959 in Kopenhagen wieder Spiele statt. Heutzutage sind die alle vier Jahre stattfindenden European Games so etwas wie die kleine Schwester der Makkabiade in Israel. Diese World Maccabiah Games werden ebenfalls im Vier-Jahres-Rhythmus, jeweils zwei Jahre vor den EMG, veranstaltet und gelten als eines der größten Sportereignisse der Welt. 2013 nahmen etwa 9 000 Athleten aus 78 Ländern teil.
Beide Großveranstaltungen, die Makkabiade wie auch die European Maccabi Games, stehen in der Tradition der zionistischen Makkabi-Bewegung. Sie geht zurück auf die Entstehung jüdischer Turn- und Sportvereine Ende des 19. Jahrhunderts. Vor allem in Deutschland und Österreich waren Juden in vielen völkisch gesinnten Vereinen nicht willkommen, als Reaktion darauf entstanden eigene jüdische Zusammenschlüsse. Diese entsprachen auch dem zionistischen Ideal des »Muskeljuden« (Max Nordau). Der Name Makkabi leitet sich ab von Judas Makkabäus (Hebräisch: »der Hammergleiche«) und dem von ihm angeführten Makkabäer-Aufstand gegen die hellenistische Herrschaft in Palästina.
Doch den EMG 2015 kommt ihre Bedeutung nicht allein aus ihrer Größe zu. Vielmehr ist es die Symbolik: Bereits die vergangenen Spiele 2011 in der österreichischen Hauptstadt Wien sorgten für viel Aufsehen, war es doch das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass jüdische Athleten aus ganz Europa auf dem früheren Gebiet des sogenannten Dritten Reichs antraten. Diesen Sommer nun kommen die Spiele also in die Hauptstadt Deutschlands. Genau in dem Jahr, in dem sich zum 70. Mal das Ende der Shoah jährt und 50 Jahre deutsch-israelische Beziehung gefeiert werden. »Wenn nicht jetzt, wann dann«, fragt Organisationschef Osterer. Die Süddeutsche Zeitung nannte die EMG »das größte jüdische Sportereignis in Europa – und gesellschaftspolitisch das wohl bedeutendste Sportfest in Deutschland seit Jahren«.
Kein Wunder, dass viele Politiker sowie Prominente aus der Sportwelt in der einen oder anderen Funktion mit von der Partie sind. Eröffnet werden die Spiele am 28. Juli mit einer großen öffentlichen Feier in der Waldbühne (auch dies ein symbolischer Ort mit NS-Vergangenheit) von ihrem Schirmherrn, Bundesprä­sident Joachim Gauck. Botschafter der EMG ist der bekannte Sportkommentator Marcel Reif, als Paten fungieren unter anderem Bundesjustizminister Heiko Maas, Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng. So freut sich etwa die CDU-Politikerin von der Leyen darüber, dass »an genau dem Ort, an dem 79 Jahre zuvor noch deutsche Juden von den Olympischen Spielen ausgeschlossen worden waren«, nun die EMG stattfinden. »Gerade dieser historische Bezug macht die European Maccabi Games 2015 zu einem starken und ermutigenden Zeichen«, so die Patin der EMG-Dressurreiter. Der SPD-Mann Maas sieht die Spiele als »ein Zeichen, wie reich und wie vielfältig das jüdische Leben in Deutschland wieder geworden« sei: »Das war nicht zu erwarten, darauf konnte Deutschland nur hoffen. Ich empfinde das für unser Land als ein großes Glück und ich bin sehr dankbar dafür.«
In der deutschen Wirtschaft ist diese Sichtweise aber offenbar minoritär. Von den 30 größten börsennotierten Konzernen hätten bislang lediglich Allianz und Daimler ihre Unterstützung zugesagt, berichtet Oren Osterer. Dabei haben viele der im Dax gelisteten Unternehmen – wie etwa Bayer, BASF, Lufthansa, Thyssen-Krupp oder Volkswagen, um nur einige zu nennen – eine von ihrer Verstrickung in den Nationalsozialismus schwer belastete Geschichte. Osterer hatte mit seinem Team ein ausgefeiltes Sponsorenkonzept entwickelt. Die Firmen konnten sich aussuchen, ob sie Platin-, Gold-, Silber- oder Bronze-Sponsoren sein wollten. Doch von den meisten Großunternehmen kamen Absagen, manchmal hieß es, das Budget sei schon verplant oder generell würden Veranstaltungen wie die Maccabi Games nicht gefördert. »Ein wenig im Stich gelassen« fühle er sich schon, sagt Osterer.
Zwar komme von Berliner Unternehmen wie etwa der Wall AG oder dem Estrel-Hotel viel Unterstützung, berichtet der Cheforganisator. Darüber hinaus unterstütze die Bundesregierung die Spiele finanziell, und auch das Land Berlin habe eine Beteiligung in Aussicht gestellt. Ebenfalls dankbar ist Osterer dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem Berliner Landessportbund, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Und »einen großen Anteil der Veranstaltungskosten bezahlen die Athleten mit ihrem Teilnahmebeitrag ohnehin selbst«, erklärt der Organisationschef.
Doch angesichts des ausbleibenden Sponsorings aus der deutschen Wirtschaft musste der EMG-Etat bereits von sieben auf fünf Millionen Euro verkleinert werden. Die Veranstaltung der Spiele sei nicht in Gefahr, betont Osterer. Es gehe eher um eine gewisse Würde. »Als ich selbst damals als Athlet an den EMG in Rom teilnahm, bekam ich während der gesamten Spiele keine einzige warme Mahlzeit«, erinnert sich der frühere Basketballer und räumt ein: »Durch solche Kleinigkeiten kann einem viel von der Freude genommen werden.« Seltsam ist die große Zögerlichkeit der Dax-Unternehmen schon. Unter der Hand wird aus den Kreisen des Organisationskomitees der Verdacht geäußert, dass trotz aller Bekenntnisse zur neuen jüdischen Gegenwart in Deutschland die exportorientierten Dax-Konzerne eher Angst um ihr Image in arabischen oder muslimischen Ländern hätten. Die Unterstützung einer jüdischen Veranstaltung könnte da dem Geschäft abträglich sein.