»Mietschuldenübernahme abgelehnt«

Die Jobcenter zählen in Berlin zu den Hauptverursachern von Zwangsräumungen. Zu diesem Ergebnis kommen Soziologen der Humboldt-Universität in der neuen Studie »Zwangsräumungen und die Krise des Hilfesystems«. Sarah Walter von der Initiative »Zwangsräumungen verhindern«, hat mit der Jungle World gesprochen.

Decken sich die Ergebnisse der Studie mit Ihren Beobachtungen?
Zu 100 Prozent. Wir beobachten viele Dinge, die in der Studie festgestellt werden, schon seit Jahren. Es gibt aber noch weitere Details, die nicht in der Studie auftauchen.
Welche sind das?
Dass die Jobcenter Zwangsräumungen verursachen, beobachten wir auch. Sie zahlen manchmal sogar die Miete nicht mehr weiter, sobald ein Räumungstermin feststeht. Dann spricht man nämlich offiziell nicht mehr von Miete, sondern von einem Nutzungsentgelt. Da sagen diese Jobcenter: Hier ist gar keine Miete mehr zu leisten, also zahlen wir nichts mehr. Damit verunmöglichen sie, dass Zwangsräumungen noch abgewendet werden.
Hat das System?
Wir müssen in den Jobcentern häufig von einer Instanz zur nächsten laufen, nur um zu hören, dass niemand wirklich zuständig ist. Sie weigern sich häufig, Mieten auch nur wenige Euro über der Bemessungsgrenze zu übernehmen und damit Zwangsräumungen zu verhindern. Da haben wir den Eindruck, dass es sich um ein System handelt. Aber es gibt auch noch die einzelnen Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter und ihren Einfühlungswillen.
Tun sich manche Jobcenter besonders hervor?
Die Studie verweist auf Neukölln und zeigt, dass dort 85 Prozent der Anträge auf Mietschuldenübernahme abgelehnt werden. Das deutet darauf hin, dass es besonders viele Zwangsräumungen gibt. Wir haben auch häufig mit diesem Jobcenter zu tun.
Räumungen sind ein Resultat des Zusammenspiels von Vermietern und Behörden. Was heißt das für Ihre Arbeit?
Wir haben sehr häufig mit dieser »staatlichen Koproduktion« von Zwangsräumungen zu tun. Wir hoffen deshalb nicht darauf, dass der Sozialstaat das regelt, sondern verbreiten die Losung »Wohnraum ist keine Ware«. Denn solange er eine Ware ist, wird es Zwangsräumungen geben. Wir sind nicht fokussiert auf die Eigentümer. Aber in konkreten Fällen üben wir öffentlich Druck auf sie aus. Es geht uns ja darum, Zwangsräumungen effektiv zu verhindern.