50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen

Good-bye, Israel

Im 50. Jahr der deutsch-israelischen Beziehungen ist das Verhältnis beider Staaten auf einem Tiefpunkt angekommen.

Es wird gefeiert. Am 12. Mai werden sich deutsche und israelische Politiker die Hände schütteln, sich auf die Schultern klopfen und sich der gegenseitigen Freundschaft, wenn auch der besonderen Art, versichern. Sogar eine Homepage wurde eingerichtet, die dem 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern gewidmet ist. Dort finden sich viele Informationen und Geschichten mit human touch; Verweise auf die deutsche Vergangenheit dürfen natürlich nicht fehlen, aber Probleme zwischen den beiden Ländern scheint es in der Gegenwart nicht zu geben.
Der Website kann man entnehmen, dass 68 Prozent der Israelis Deutschland lieben. Vergeblich sucht man auf der Seite allerdings nach vergleichbaren Zahlen zur Einstellung der Deutschen gegenüber Israel. Das könnte daran liegen, dass die Werte das rosige Bild trüben würden. Einer Bertelsmann-Studie von Anfang 2015 zufolge haben 42 Prozent der Deutschen eine schlechte bis sehr schlechte Meinung von Israel. Was bei dieser Gelegenheit nicht angesprochen wird, ist der antiisraelische Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft. Dann wäre es vorbei mit der Feierlaune. So stimmen nach Angaben einer Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2011 47,7 Prozent der Deutschen der Aussage zu: »Israel führt einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser.«
50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel haben also vor allem dazu geführt, dass die Deutschen endlich den Juden vorwerfen können, sie seien genauso schlimm wie die Nazis. Ein erfolgreicheres Beispiel für Entlastung gibt es wohl kaum.
Doch nicht nur in der Bevölkerung ist der verhaltene Philozionismus eines Axel Springer schon lange einem immer aggressiver werdenden Raunen gegen den Judenstaat gewichen. Vor allem unter den politischen Eliten in Deutschland zeichnet sich seit geraumer Zeit ein fundamentaler Wandel ab. Zwar gab es in der deutschen Nachkriegsgeschichte immer wieder Episoden einer staatstragenden Israel-Feindlichkeit. So als Bundeskanzler Willy Brandt 1973 den Flugzeugen mit den existentiellen amerikanischen Waffenlieferungen während des Jom-Kippur-Kriegs die Landeerlaubnis in Deutschland verweigerte. Oder Brandts Nachfolger Helmut Schmidt, der 1981 »das ganze moralische, historische Gepäck« am liebsten dadurch loswerden wollte, dass er die moralische Verantwortung der Deutschen gegenüber den Israelis auf die Palästinenser übertrug.
Mit dem Amtsantritt von Angela Merkel schien sich an dieser Haltung etwas zu ändern. Es war nicht zuletzt ihre Rede vor dem israelischen Parlament 2008, die als Zeitenwende in den deutsch-israelischen Beziehungen gewertet wurde. Sie betonte darin, dass sie einer israelfeindlichen Öffentlichkeit trotzen werde und auch vor schärferen Sanktionen gegen Teheran nicht zurückschrecke. Sie sei nicht nach Israel gekommen, um ungebetenen Ratschläge hinsichtlich der Lösung des Nahost-Konflikts zu erteilen, betonte Merkel damals, und erklärte dabei die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson. Solidarität dürfe gerade in der Stunde der Bewährung kein leeres Versprechen bleiben, so die Kanzlerin im Jahr 2008.
Seitdem hat die Kanzlerin wie in so vielen anderen Politikfeldern auch eine 180-Grad-Wende vollzogen, und korrespondierend zur öffentlichen Meinung sind auch die offiziellen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel auf einem Tiefpunkt angelangt. Merkels Kanzlerschaft ist die Chronik eines einmaligen Verfalls im deutsch-israelischen Verhältnis.
Die Beziehungen verschlechterten sich mit dem Regierungsantritt des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu im Jahr 2009. Der vermeintliche rechte Falke Netanyahu diente als willkommene Entschuldigung für einen Politikwechsel der Kanzlerin.
Der israelische Regierungschef war erst wenige Monate im Amt, da nahm der Sicherheitsberater der Kanzlerin, Christoph Heusgen, im Hintergrund die Neuausrichtung vor. Heusgen schlug im November 2009 gegenüber amerikanischen Diplomaten vor, Netanyahu mit einem positiven Votum im UN-Sicherheitsrat infamen Goldstone-Bericht zum Gaza-Krieg 2008 unter Druck zu setzen. Die Amerikaner lehnten ab. Allerdings war es bezeichnend für Merkels Wandel, dass ihr Berater überhaupt auf die Idee kam, ein Bericht, der später sogar von Richard Goldstone selbst als einseitig gegen Israel gerichtet gewertet wurde, sei ein probates Druckmittel gegen den jüdischen Staat.
Im Mai 2010 wurde die sogenannte Gaza-Flottille von der israelischen Marine aufgebracht. Dies führte zu einer einmaligen Resolution des deutschen Parlaments: Fraktionsübergreifend und einstimmig beschlossen die Bundestagsabgeordneten, Israel Ratschläge zu erteilen, wie es mit der Terrororganisation Hamas umzugehen habe. Kein anderes westliches Parlament handelte ähnlich und Merkel sah keinen Grund, sich gegen den Beschluss zu stellen und ihr Versprechen zu halten, keine ungebetenen Ratschläge zu geben.
Doch sie beließ es nicht bei indirekten Drohungen und Resolutionen. Merkel setzte sich persönlich dafür ein, dass die Auslieferung eines U-Boots an Israel an Konzessionen der israelischen Regierung geknüpft wurde. Die Lieferung war eigentlich bereits besiegelt gewesen. Erst nach Nachverhandlungen und Konzessionen von Netanyahu gestattete Merkel die Lieferung. Die Welt sprach damals davon, dass Merkel einen »radikalen Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik« vorgenommen habe, weil politischer Streit mit Israel bis dato nie mit existentiellen Sicherheitsfragen verknüpft worden war. Nur drei Jahre nach ihren vollmundigen Versprechen vor dem israelischen Parlament hatte Merkel die Sicherheit des jüdischen Staats doch zu einem verhandelbaren Gut gemacht.
Auch weiterhin kooperiert Deutschland mit antisemitischen Regimen. Der Handel mit dem Iran findet auch im elften Jahr von Merkels Kanzlerschaft statt. Trotz bestehender Sanktionen wuchsen die deutschen Exporte in den Iran von 2013 auf 2014 um fast 30 Prozent und die Importe aus dem Iran um rund acht Prozent. Auch die Freude des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier angesichts der im April dieses Jahres getroffenen Vereinbarung über das iranische Atomprogramm mögen die Israelis nicht teilen. Das Ergebnis lässt dem antiisraelischen Regime in Teheran Hintertüren offen, die eine Bedrohung der Sicherheit Israels darstellen. Auch die offizielle Holocaustleugnung und die fortgesetzten Vernichtungsdrohungen des iranischen Regimes gegen Israel scheinen dem Außenminister und Merkel wenig Probleme zu bereiten. Staatsräson hin, Lehren aus der Geschichte her – für die deutsche Regierung kein Grund, einem Dialog mit den Mullahs zu verweigern.
Berührungsängste mit dem internationalen Antisemitismus fehlen nicht zuletzt im Umgang mit den Palästinensern. Trotz der vermeintlichen Nähe zu Israel versucht Deutschland seit jeher, sich als »ehrlicher Makler« im Konflikt mit den Palästinensern zu positionieren.
Man muss hier nicht einmal auf die islamistische Terrorgruppe Hamas verweisen, die immer wieder von Mitgliedern deutscher Regierungsparteien als Gesprächspartner ins Spiel gebracht wird. Es genügt ein Blick auf die als moderat geltende Führung der Palästinenser um Mahmoud Abbas. Die Medien und Erziehungseinrichtungen der palästinensischen Autonomiebehörde bedienen sich regelmäßig antisemitischer Propaganda. Die englischsprachige Website »Palestinian Media Watch« dokumentiert diesen Hass regelmäßig. Obwohl die Erinnerung an die Shoah ein zentraler Bestandteil von Merkels Rede vor der Knesset war, hat sie sich nie zum Antisemitismus der Palästinenser geäußert. Im Gegenteil: Mahmoud Abbas, der die These seiner Dissertation von 1982, der Holocaust sei das Werk einer Kooperation zwischen Nazis und Zionisten und »nur« einige Hunderttausend Juden seien ermordet worden, noch Anfang 2013 im libanesischen Fernsehen wiederholt hat, wurde nur wenige Monate später ehrenhaft in Berlin von Merkel empfangen.
Alle diese Widersprüche in den deutsch-israelischen Beziehungen werden bei den Jubiläumsfeierlichkeiten unterschlagen. Doch sie berühren den Kern der Sache. Aus deutscher Sicht ist die »besondere Art« der Beziehung ein Relikt der Vergangenheit, das Ergebnis der Nazi-Verbrechen. Im Unterschied dazu beruhen die US-amerikanischen Beziehungen zu Israel auf einem echten Verständnis für die schwierige Situation des jüdischen Staates und einem aufrichtigen Interesse an dem Projekt des Zionismus. Den offiziellen Beginn der deutsch-israelischen Beziehungen dagegen markieren die Verhandlungen über die Reparationszahlungen im Jahr 1952. Wie der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer 1965 offen bekannte, war es vor allem die »Macht der Juden«, die man nicht unterschätzen solle und ohne die Deutschland sein Ansehen unter den Völkern nicht wiederherstellen könne, die ihn zur Aufnahme der Verhandlungen brachte.
Im 50. Jahr der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ist das deutsche Ansehen längst wieder hergestellt. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge möchten insgesamt 81 Prozent der befragten Deutschen die Geschichte des Holocaust endlich hinter sich lassen. Womit die Abkehr Angela Merkels von ihrem Bekenntnis zum jüdischen Staat nur folgerichtig ist. Deutschland braucht Israel nicht mehr.