Rechte Parteien bei der Bürgerschaftswahl in Bremen

In Wut vereint

Am 10. Mai wird in Bremen ein neues Bürgerschaftsparlament gewählt. Erstmals tritt dort auch die Alternative für Deutschland (AfD) an. Doch mit der Kleinpartei »Bürger in Wut« (BiW) hat sie eine echte Konkurrenz. In Umfragen liegt die AfD derzeit bei fünf Prozent, die BiW kommt auf drei Prozent.

Im seit Jahren rot-grün regierten, ärmsten Bundesland Bremen konzentriert sich der Wahlkampf der Rechtspopulisten von der »Alternative für Deutschland« (AfD) und den »Bürgern in Wut« (BiW) vor allem auf den wirtschaftlich besonders schwachen Norden und auf Bremer­haven.
So tritt auch die rechtsextreme NPD diesmal ausschließlich in Bremerhaven an. Zwar ermöglicht eine Sonderregelung des Bremer Wahlgesetzes den Einzug ins Bürgerschaftsparlament auch dann, wenn die entsprechende Partei lediglich in Bremerhaven die Fünf-Prozent-Hürde überwindet, doch selbst das scheint für die NPD derzeit nicht sehr wahrscheinlich.

Zuletzt tat sich die Partei öffentlichkeitswirksam vor allem durch kurzfristige Absagen von Veranstaltungen hervor. Sowohl der Mitte Februar von Alexander von Malek geplante Pegida-Aufmarsch als auch die ebenfalls von ihm für den 4. April angekündigte Kundgebung vor dem Flüchtlingsheim in der Bremerhavener Rudloffstraße wurden abgesagt. Von Malek ist der dritte von insgesamt vier Kandidaten der Bremerha­vener NPD, denen selbst die Parteikollegen aus dem Stadtbereich Bremen die Unterstützung versagen. Die rechtsextreme Partei, die in den sechziger Jahren noch teilweise fast neun Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, demontiert sich in Bremen zunehmend selbst.
Anders sieht es bei den rechtspopulistischen Parteien AfD und BiW aus. Auch sie setzen vor allem auf die Wählerschaft im Norden der Stadt und des Landes, treten jedoch in allen Wahlbezirken an. Die »Bürger in Wut« können in Bremen bereits auf eine längere Geschichte zurückblicken. 2004 gründete sich die Wählervereinigung, seit 2007 ist sie in der Bürgerschaft vertreten. Erster Vorsitzender ist seit Gründungstagen der ehemalige Landesvorsitzende der »Rechtsstaatlichen Offensive«, Jan Timke. Ergänzt wird die BiW-Frak­tion in der Bürgerschaft derzeit noch durch das ehemalige SPD-Mitglied Martin Korol. 2013 war Korol wegen rassistischer, antiziganistischer und frauenfeindlicher Äußerungen aus der SPD aus­geschlossen worden. In Bremen-Nord tritt zudem der Parteineuzugang Fritjof Balz an, der ursprünglich geplant hatte, mit seiner selbstgegründeten Bürgerinitiative »Die Bremer Bürger« zur Wahl anzutreten. Diese scheiterte jedoch an der Voraussetzung, bis zum 2. März genügend Unterstützerunterschriften von Wahlberechtigten zu sammeln.
Hauptanliegen der Bürgerinitiative war es, zu verhindern, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Rekumer Straße 12 in Bremen-Farge untergebracht werden. Nachdem dieses Vorhaben scheiterte und die ersten jungen Menschen die Unterkunft bezogen haben, konzentriert sich nun auch der Wahlkampf der BiW in den nördlichen Stadtteilen auf »extrem straffällig« gewordene Jugendliche, wie sie auf der ebenfalls von Balz initiierten Facebook-Seite »Rekumer Straße 12 – Nicht mit uns!« genannt wurden. Die Seite ist mittlerweile nicht mehr öffentlich zugänglich, »aus Sicherheitsgründen«, wie Balz der Nordwest-Zeitung sagte.
Wichtig bleibt das Thema für Balz und die BiW dennoch, wie ihre Plakate beweisen. Neben »Rekumer Straße 12 – Nicht mit uns!« fordert die Partei »Vollzug statt schöner Wohnen«. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Rainer Bensch, der im Oktober vorigen Jahres gemeinsam mit Balz bei einer Veranstaltung noch die »Geheimniskrämerei« der zuständigen Behörden um die Flüchtlingsunterkunft beklagte, spreche angesichts des Plakats nun von menschenverachtendem Populismus, berichtete der Weser-Kurier. Dass er auf diesen unter keinen Umständen verzichten mag, unterstrich Balz erneut, als er in der Nacht zum 29. März gemeinsam mit zwei Parteikollegen versuchte, in den linken Infoladen »Katzensprung« in Bremen-Vegesack einzudringen. Die zu diesem Zeitpunkt Anwesenden wurden von den BiW-Kandiaten beschuldigt, eben jene Plakate abgehängt zu haben. Auch ein Blick ins Parteiprogramm der BiW verrät einiges über die Schwerpunktsetzung der Partei. Bürgerbeteiligung, Innere Sicherheit und »Ausländerpolitik« sind die ersten drei der zehn Programmpunkte. Ihren Hang zur Tat unterstrichen die BiW zudem, indem sie dazu aufriefen, Anfang Mai an einem Abendspaziergang teilzunehmen, dessen Thema ausländische Trickbetrüger sein sollte.

Hier zeige sich eine Diskrepanz zum Auftreten der AfD, betont Tina Simons, Pressesprecherin der Bremer Basisgruppe Antifaschismus. Die AfD kritisiere den blinden Aktionismus der BiW, betone das Gewaltmonopol des Staats und rufe dazu auf, dem Spaziergang fernzubleiben. Auch in der Regionalzeitung Das BLV lässt sich die Strategie der gegenseitigen Distanzierung beobachten. AfD-Kandidat Christoph Seidl, der als Trainer und Coach für Jobcenterangestellte arbeitet, pocht im Interview mit dem Blatt darauf, dass die AfD »durchdachter« und weniger emotional agiere als die BiW. In derselben Ausgabe wird auch Balz interviewt, der sich wiederum von der »zerstrittenen AfD mit ihrer radikalen Ausrichtung« abgrenzt. Dass Balz die AfD für »radikal« hält, verwundert zunächst, gerade im Hinblick auf die Strategie des AfD-Spitzenkandidaten und Landesvorsitzenden Christian Schäfer, der versucht, die AfD als eine Art noch nicht sozialdemokratisierte CDU zu präsentieren.
Auch der ebenfalls kandidierende, stellvertretende Bremer Landessprecher Alexander Tassis mag in seiner Funktion als Bundessprecher der Homosexuellen in der AfD zunächst als Hinweis auf eine im Vergleich liberalere Ausrichtung der AfD erscheinen. Tassis ist allerdings gegen »Multi-Kulti« und »Entnationalisierung«. Seidl war Mitinitiator der Bürgerinitiative gegen die Rekumer Straße 12. Im Hinblick auf straffällig gewordene geflüchtete Jugendliche sind sich Seidl und Balz einig. Auch Frauke Petry, Landesvorsitzende der AfD in Sachsen, sah im Gespräch mit dem Weser Kurier »bei wichtigen Themen wie Finanzen, Bildung und Asyl« mit den selbsternannten Wutbürgern »Überschneidungen«. Die von der Bundes-AfD bekannte Fraktionsspaltung in Liberale mit Abgrenzungsbedürfnis nach rechts und Nationalkonservative ohne Berührungsängste ist auch auf Landesebene zu erkennen. So nehmen Schäfers Bemühungen um einen moderat erscheinenden Kurs auch Schaden durch die Auslassungen von Ute Dopke, die ebenfalls für die AfD bei der Bremer Bürgerschaftswahl antritt. Auf ihrem Facebook-Profil teilt sie nicht nur NPD-Beiträge, sondern versucht auch, über Chemtrails aufzuklären.