Stephane Charbonnier verteidigt die Islamkritik

Post von Charb

In seinem posthum erschienenen Buch »Lettre aux escrocs de l’islamophobie qui font le jeu des racistes« verteidigt Stephane Charbonnier die Islamkritik gegen den Vorwurf der Islamophobie.

Ein »offener Brief an die Islamophobie-Betrüger, die das Spiel der Rassisten spielen« ist das letzte, was Stephane Charbonnier, der ehemalige Chefredakteur von Charlie Hebdo, geschrieben hat. Am 5. Januar gab er den Text zur Veröffentlichung frei, zwei Tage später wurde er ermordet. Jetzt ist der Essay erschienen. Eingangs listet Charb die Adressaten seines Briefes auf: »Wenn du meinst, man könne über alles lachen außer über das, was dir heilig ist«, »wenn du meinst, die linken Atheisten betrieben das Geschäft der Faschos und der Fremdenhasser«, »wenn du meinst, die Zionisten beherrschten die Welt und hätten ­einen Ghostwriter bezahlt, um dieses Buch zu schreiben« – dann wünscht Charb »frohes Lesen, denn diesen Brief habe ich für dich geschrieben«.
Peu à peu ersetzt der Begriff »Islamophobie« den des Rassismus. Die ihn bevorzugen, schreibt Charb, verfolgten das Ziel, »dass sich die Opfer von Rassismus zum Islam bekennen«. Rassismus zu bekämpfen, meint jede Form desselben. Aber was bedeutet es, Islamophobie zu bekämpfen?
Rein etymologisch heißt Islamophobie, wie man weiß, Angst vor dem Islam. Das ist erstmal nichts Strafwürdiges. »Aus Ignoranz, Faulheit, Versehen«, so Charb, habe sich der Begriff durchgesetzt, besonders aber auch »weil viele, die sich gegen Islamophobie engagieren, nicht Muslime als Individuen verteidigen wollen, sondern die Religion des Propheten«. Wobei für Charb nicht der Koran oder die Bibel das Problem sind, sondern der Gläubige, der den Text »wie eine Montageanleitung von Ikea« rezipiert. Würde man mit Kochbüchern ähnlich verfahren, gäbe es ein Blutbad: »Was? Der Nachbar hat die Kuchenform zu stark eingefettet?! Umbringen! Was? Der Nachbar backt Pfannkuchen ohne Gluten, weil er Allergiker ist?! Umbringen!«
Lange bevor die dänische Zeitung Jyllands-Posten ihre Mohammed-Zeichnungen veröffentlichte, hatte Charlie Hebdo den Propheten karikiert. Charb erinnert sich: »Kein Verein, kein Journalist war schockiert. Erst nachdem eine Gruppe muslimischer Extremisten die Geschichte benutzt hat, wurde es zu einem Thema, das hysterische Krisen auszulösen vermag.« Nach dem Brandanschlag auf das Büro von Charlie Hebdo 2011 bezeichneten die sozialistischen Politiker Jean-Marc Ayrault und Laurent Fabius das Magazin als »verantwortungslos«. Die Medien sendeten Interviews mit Auslandsfranzosen, die Charlie Hebdo die Schuld daran gaben, dass sie und ihre Familien bedroht wurden. Charlie Hebdo war »gefährlicher als al-Qaida« geworden. Die »islamophoben Zeichnungen« rechtfertigten sozusagen das mörderische Handeln von Terrorgruppen, die sich auf den Islam berufen. »Man fordert uns auf, den Islam zu respektieren (…), aber den Islam mit dem islamischen Terrorismus gleichzusetzen, ist keine Respektsbezeugung gegenüber dem Islam.«
Zur umstrittensten Zeichnung avancierte eine Darstellung des Propheten mit einer Bombe auf dem Haupt. »Konnte jeder lesen, es gab ja keinen Text.« Die Zeichnung habe sagen wollen: »Das machen die Terroristen aus dem Islam.« Charb fordert, man solle endlich aufhören, sich von »Demagogen mit gewaltigen Machtphantasien« einreden zu lassen, wie Karikaturen richtig zu verstehen sind. Es sei »der eklige Paternalismus des weißen, linken, bürgerlichen Intellektuellen«, der meint, sich auf das Niveau seiner Schützlinge begeben und ihnen beistehen zu müssen, indem er solche Zeichnungen als islamophob verurteilt. »Höhepunkt dieser Annäherung wäre dann das Konvertieren.« Die Selbstzensur werde zur tragenden Säule der Kunst.
Unter Islamophobie verstehen viele nichts anderes als Gotteslästerung. Logisch betrachtet, so schlussfolgert Charb, könne aber nur ein Gläubiger Gotteslästerung betreiben. Der Nicht-Gläubige kann Gott gar nicht lästern: Voraussetzung dazu wäre, dass er an ihn glaubt. Charb fragt weiter, »weshalb die Gläubigen eine von Menschen veranstaltete Justiz anrufen, um uns zu bestrafen, wo uns doch Gottes Gerichtsbarkeit unvergleichlich strenger als irgendein Richter strafen würde? Wie kann der Durchschnittsgläubige glauben, er könne hier auf Erden an irgendeiner Kopie der Hölle herumbasteln? Nichts als fake.«
Man nehme das Beispiel einer verschleierten Frau, die auf der Straße angegriffen wird. Für die Kämpfer gegen Islamophobie wird nicht die Bürgerin angegriffen, die das Recht hat, sich so zu kleiden, wie sie lustig ist, sondern die Muslimin. »Das wahre Opfer ist der Islam. Gott steht höher als die Gläubige (…). Indem man sie angriff, versuchte man, Gott zu treffen.« Das ist den Kämpfern gegen Islamophobie unerträglich. Die Angehörigen anderer Minderheiten müssten einer Religion beitreten, spottet Charb, wenn sie verteidigt werden wollen.
Dann gibt es auch noch besonders schlaue Kritiker von Charlie Hebdo. Charb zitiert einen Text von Alain Gresh aus Le Monde diplomatique aus dem Jahr 2012, der mit einem historischen Vergleich Eindruck schinden wollte: »Stellen wir uns eine linke Wochenzeitschrift in Deutschland 1931 vor, (…) die eine Sonderaus­gabe über das Judentum veröffentlicht und seitenweise erklärt, das Judentum sei rückwärts­gewandt, (…) die Bibel sei eine Apologetik von Gewalt, Völkermord, Steinigung, die religiösen Juden trügen eine komische Kleidung (…). Heute erleben wir in Europa das Anwachsen von nationalistischen Kräften und Parteien, deren militante Achse nicht mehr wie in den dreißiger Jahren der Antisemitismus, sondern die Islamophobie ist.« Charb fragt zurück: »Gab es 1931 einen internationalen Terrorismus, der sich auf das orthodoxe Judentum ­berief? Drohten jüdische Jihadisten mit der Einführung von so etwas wie einer jüdischen Sharia in Libyen, Tunesien, Syrien, Irak? Ließ ein Rabbiner namens bin Laden ein Flugzeug auf das World Trade Center abstürzen? (…) Nein, die Islamophobie ist nicht der neue Antisemitismus. Es gibt keinen neuen Antisemitismus.« Was es gebe, sei jener alte, widerwärtige, unauslöschliche Rassismus, der heute in Frankreich explodiere. Den rassistischen Diskurs hätten in Frankreich Verbände, Politiker oder Intellektuelle mehr oder weniger erfolgreich zurückgedrängt. Dann habe ihn Nicolas Sarkozy mit der von ihm begonnenen Debatte über die nationale Identität neu entfesselt. Denn, so Charb, »wenn die höchste staatliche Autorität den Deppent und Schweinen sagt, ›lasst euch gehen, Leute!‹, dann fangen sie an, öffentlich auszusprechen, was sie bis dahin nur am Ende alkoholreicher Familienmahlzeiten gerülpst hatten«.
Schließlich stellt Charb fest, dass die Atheisten so gut wie überall auf der Welt verfolgt würden – doch keiner von ihnen zerstöre die Kunstwerke, die Gläubige zur Ehrung ihres Gottes geschaffen haben. Besser noch: »Die blöden Atheisten sind häufig die ersten, die den Schutz von bedrohten religiösen Orten verlangen, deren Schönheit für fromme Barbaren eine Gotteslästerung ist.« Den »Atheophoben« empfiehlt er: »Macht Zeitungen, Blogs, Aufführungen, Marionetten, um euch über die Absurdität, die ein Leben ohne Gott für euch ist, lustig zu machen … Karikiert die Gottesabwesenheit!«