Räumkommando

Auf Muttertage oder ähnlichen Schmu kann sie sich nicht verlassen, Michelle Bachelet muss schon selbst aufräumen. Am Mittwoch vergangener Woche kündigte die dreifache Mutter und Präsidentin Chiles in einem Fernsehinterview an, ihr Kabinett umzuräumen. »Vor drei Stunden habe ich alle Minister darum gebeten, ihr Amt niederzulegen und mir 72 Stunden gegeben, um zu entscheiden, wer bleibt und wer nicht.« Es hätten sich sehr schwierige Vorfälle ereignet und die Regierung müsse dringend reagieren, so die 63jährige. Es wird davon ausgegangen, dass sie damit vor allem Skandale der vergangenen Monate wegen Korruption, illegaler Parteienfinanzierung und Steuerhinterziehung meint. Selbst ihr Sohn macht Probleme, ihm wird Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft vorgeworfen aufgrund eines lukrativen Immobiliengeschäfts, das seine Frau und er dank eines Millionenkredits getätigt hatten. Vom größten Korruptionsfall, in dem seit Anfang des Jahres gegen etwa 100 Firmen und Einzelpersonen ermittelt wird, ist hingegen vor allem die rechte Opposition betroffen, doch auch Regierungsmitglieder sind involviert.
Die Zustimmungswerte mehrerer Ministerinnen und Minister sind in jüngsten Umfragen deutlich gesunken, Bachelet selbst erhält nur noch 31 Prozent Zustimmung. Doch nicht nur die Skandale dürften dafür verantwortlich sein, auch die versprochenen Reformvorhaben der seit März 2014 amtierenden Sozialistin, die als Kandidatin der Mitte-Links-Koalition »Nueva Mayoría« angetreten war, gehen nur langsam voran – was aber auch an der vehementen Oppo­sition der Rechten liegt. Mitte April demonstrierten zudem erneut Zehntausende Studierende, Schülerinnen und Schüler für die überfällige Bildungsreform und effektive Korruptionsbekämpfung.
Dabei bemüht Bachelet sich ja. Erst Ende April kündigte sie eine grundlegende Verfassungsreform an, denn es gilt weitgehend immer noch die während der Diktatur Augusto Pinochets erlassene Verfassung. Ein neues, gerechteres Wahlgesetz, das der Machtkonzent­ration großer Parteien entgegenwirkt, soll 2017 in Kraft treten; im April wurde die eingetragene Partnerschaft für homosexuelle Paare legalisiert und eine zumindest teilweise Aufhebung des rigiden Abtreibungsverbots wird diskutiert. Doch wie nicht nur jede Mutter weiß, ist aufräumen eine temporär sehr begrenzte Lösung, bald darauf ist schon wieder alles dreckig und durcheinander.