Bewaffnete Kämpfe und soziale Proteste in Mazedonien

Üble Gefechte

In Mazedonien wird seit Monaten gegen die Regierung demonstriert. Am Samstag starben in Kumanovo bei Kämpfen zwischen der Polizei und einer bewaffneten Gruppe mindestens 22 Menschen.

Rauchschwaden steigen aus Häusern auf und verdunkeln den Himmel über dem Stadtteil Divo Nasilje im nordmazedonischen Kumanovo. Am Samstag kam es dort nach einer großflächigen Razzia zu Kämpfen zwischen der Polizei und Bewaffneten, mutmaßlich Albanern. Mindestens 14 von ihnen starben, außerdem acht Polizisten. Die paramilitärische »Befreiungsarmee des Kosovo« (UÇK) soll die Verantwortung für die Kämpfe übernommen haben. Eigentlich gilt die mazedonische UÇK seit 2001 als aufgelöst. Albanische paramilitärische Gruppen eroberten damals Teile des Landes und lieferten sich Kämpfe mit dem Militär und der Polizei. Ein Bürgerkrieg wie in anderen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien konnte in Mazedonien durch das Rahmenabkommen von Ohrid verhindert werden. Nach Polizeiangaben plante die Gruppe Terroranschläge auf staatliche Institutionen in Mazedonien. Bereits am 21. April war es zu einem Zwischenfall in der Polizeiwache von Gosince, nahe der Grenze zum Kosovo, gekommen. Etwa 40 Bewaffnete besetzten die Wache und erklärten, dass sie einen eigenen Staat wollen. Die vermeintlichen UÇK-Kämpfer in Kumanovo sollen in Verbindung mit den Besetzern stehen.
Der Regierungssprecher Ivo Koteski feierte den angeblichen Erfolg: »Eine der gefährlichsten Terrororganisationen auf dem Balkan ist neutralisiert worden.« Dem Innenministerium zufolge sind die mutmaßlichen Terroristen Bürger des Kosovo. Die Stadtteile Kumanovos, in denen die Gefechte stattfanden, wurden evakuiert. Viele albanische Bewohner flüchteten nach Serbien.

Seit Monaten fordern Demonstrierende den Rücktritt der Regierung in Skopje. Die Opposition veröffentlichte Tonbandaufnahmen von privaten Gesprächen zwischen Regierungsmitgliedern, bei denen es um Wahlfälschung, das Abhören von 20 000 Bürgern, die Vertuschung von Morden durch Polizeibeamte und die Inhaftierung unliebsamer Journalisten ging. Zu hören ist auch die Stimme von Ministerpräsident Nikola Gruevski. Er behauptet, es handele sich dabei um Fälschungen von »ausländischen Geheimdiensten«.
Kire Vasilev, der gegen die Regierung in Skopje protestiert, sagte: »Die sind bereit, alles zu tun, um an der Macht zu bleiben. Unser Ziel ist klar. Wir wollen einen Rücktritt der Regierung.« Die christdemokratische Regierungspartei VMRO-DPMNE hat einen riesigen Beamtenapparat aufgebaut, Posten werden nach Parteibuch vergeben. Nepotismus ist ihre Machtgrundlage, seit einigen Jahren ergibt es kaum Sinn, noch zwischen der Partei und dem Staat zu unterscheiden.
»Die Regierung missbraucht die Polizei für ihre Zwecke. In den letzten Jahren ist Mazedonien zu einem Polizeistaat geworden«, sagt Vasilev. Er betont aber auch, dass es keine Gefahr eines ethnischen Konflikts gebe, Mazedonien habe seine Lektion gelernt. Ivana Jordanovska beteiligt sich ebenfalls an den Protesten gegen die Regierung. Sie twitterte live aus Kumanovo und bloggte auf ihrer Seite: »Die ganze Geschichte ergibt keinen Sinn. Ich lebe seit 19 Jahren in Kumanovo und die Terroristen konnten nicht mit der Unterstützung der albanischen Bevölkerung rechnen.« Auch sie vermutet, dass die Regierung versucht, Konflikte zu schüren, um an der Macht zu bleiben.

Die Kriege in Kroatien 1991, Bosnien 1992 und Kosovo 1999 zeigten bereits, dass nationalistische Regierungen in der Region einen Bürgerkrieg vom Zaun brechen können mit dem Ziel, ihre Herrschaft zu sichern. Die plötzliche Polizeiaktion gegen »ausländische Terroristen« in einer Stadt, in der Mazedonier und Albaner seit Jahren friedlich zusammenleben, lässt Zweifel am Hintergrund der Anti-Terror-Maßnahme aufkommen. Es ist durchaus denkbar, dass einige Leute die UÇK-Fahnen aus dem Keller geholt haben, um für ein Großalbanien zu kämpfen. Der Großteil der albanischen Bevölkerung in Mazedonien unterstützt sie aber nicht. An den Protesten gegen die Regierung beteiligten sich bislang Menschen aller ethnischen Gruppen. Die Opposition ruft für den 17. Mai zu den nächsten Kundgebungen auf.