Peter Singer bekommt den Peter-Singer-Preis

Fatale Logik

Der umstrittene Bioethiker Peter Singer soll einen nach ihm benannten Preis zur »Tierleidminderung« erhalten. Proteste sind bereits angekündigt.

Der berühmt-berüchtigte Bioethiker Peter Singer soll am 26. Mai in der Berliner Urania mal wieder einen Preis erhalten: den neu geschaffenen »Peter-Singer-Preis für Strategien zur Tierleidminderung« des neugegründeten »Fördervereins des Peter-Singer-Preises für Strategien zur Tierleidminderung«. Eine illustre Runde aus Wissenschaftlern, Veganern und Antispeziesisten hat den Bioethik-Professor der Princeton University zu ihrem Oberstrategen gegen das Leid von Mensch und Tier auserkoren. Behinderte Aktivisten, Feministinnen und Antifaschisten sehen in ihm allerdings jemanden, der die Lebensqualität, den Wert und das Lebensrecht behinderter Menschen systematisch in Frage stellt. Veranstaltungen mit ihm wurden in Deutschland immer wieder gestört oder verhindert.
Singers argumentative Strategie besteht in der Aufhebung der definitorischen Grenze zwischen Menschen und Tieren. Sein Präferenzutilitarismus unterscheidet stattdessen zwischen Personen und Wesen. Um eine Person im Singerschen Sinn zu sein, muss man rational handeln können, über ein Bewusstsein seiner selbst in der Zeit verfügen und kommunizieren bzw. Beziehungen knüpfen können. Auch zukunftsbezogene Präferenzen zu haben, ist ein wichtiges Kriterium. Komatöse, Demenzkranke und Säuglinge haben schlechte Karten. Schimpansen, Schweine und Gorillas sind bewusstseinsmäßig und kommuni­kativ einfach weiter. Manche Anhängerinnen und Anhänger Singers behaupten nun, die Unterscheidung zwischen Personen und Wesen würde den zu Nicht-Personen Erklärten gar nicht schaden. Der ständige Vorwurf der Behindertenbewegung, Singer befürworte die Tötung schwerbehinderter Neugeborenen, sei unzutreffend.
Unzutreffend daran ist allerdings nur, dass es Singer weder nur um Neugeborene geht noch ausschließlich um Schwerbehinderte. Vielmehr haben für ihn alle Menschen, die die oben genannten Kriterien nicht erfüllen können, kein volles Lebensrecht.

Die preisverdächtigen Leidvermeidungsstrategien des Philosophen differieren sehr zwischen zu »Personen« aufgewerteten Tieren und zu »Wesen« abgewerteten Menschen. Obwohl Singer offenbar mit der Kategorie »Mensch« nicht viel anfangen kann, sollen nichtmenschliche Personen mit Menschenrechten ausgestattet werden. Um dieses Ziel zu propagieren, hat er bereits 1993 zusammen mit der italienischen Philosophin Paola Cavalieri das Great Ape Project gegründet, wofür beide 2011 von der Giordano-Bruno-Stiftung einen Ethikpreis erhielten. Die Leidvermeidung für menschliche Nicht-Personen scheint bei aller ethischen Finesse meist auf Tötungsvorschläge hinauszulaufen. Menschen ohne Personenstatus können getötet werden und sollen dies unter ­bestimmten Umständen sogar, etwa zur eigenen Leidvermeidung, zur Erleichterung ihrer Angehörigen und – nun wird es hochphilosophisch – zur gesellschaftliche Nutzen- und Glücksmaximierung. Mitte April befürwortete der Professor in einem Radiointerview die Beschränkung medizinischer Maßnahmen für schwerbehinderte Säuglinge, um dem US-amerikanischen Gesundheitssystem Kosten zu ersparen. Er wolle nicht, dass seine Versicherungsbeiträge anstiegen, um »Neugeborenen ohne Lebensqualität teure Behandlungen« zukommen zu lassen.

Tierrechtler sehen sich nicht als Reformer, sondern als Revolutionäre. Anders als bürgerliche Tierschützer oder linke Tierbefreier wollen sie nicht einzelne Tiere vor einem Leben in Zoo, Versuchslabor oder Legebatterie bewahren, sondern eine radikale Umwälzung herbeiführen: Die Artengrenze muss fallen! Alles andere sei Speziesismus, so schlimm wie Rassismus und Sexismus.
Wie die Vergaberichtlinien des Fördervereins beweisen, sollen mit dem Preis keinesfalls bloße Tierschützer geehrt werden, die nur »einzelnen Haustieren ein besseres Leben« ermöglicht haben. Vielmehr geht es um »grundsätzliche strategische Überlegungen und Handlungen«. Mögliche Empfänger des Preises werden in diesen Richtlinien bereits aufgelistet. Mit Peta gehört eine Gruppe dazu, die sich gerne mit Holocaustvergleichen für die Rechte von Tieren einsetzt. Damit kann auch Stefan Bernhard Eck dienen, Mitglied des Europäischen Parlaments und ehemaliger Vorsitzender der Tierschutzpartei (vgl. Jungle World 3/2015). Er soll bei der Preisverleihung einen Kurzvortrag über Werte und Mitgefühl halten. Eck hielt 2006 eine »Mahnwache« auf dem Besucherparkplatz der KZ-Gedenkstätte Dachau ab. Auf seinem Plakat stand: »Für Tiere ist jeden Tag Dachau«.
Die Laudatio auf Singer wird aber sein wahrscheinlich größter lebender Fan halten, der Mitbegründer und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon. Dieser hält Singer für den bedeutendsten lebenden Philosophen und einen Behindertenfreund. Mantraartig wiederholt er, Singers Aussagen würden missverstanden und aus dem Zusammenhang gerissen. In welchem Zusammenhang aber soll es nicht behindertenfeindlich sein »anzunehmen, dass die Aussichten auf ein glückliches Leben für ein normales Kind besser sind als für ein hämophiles«? Singer schreibt diesen Satz im Zusammenhang mit Überlegungen über die Tötung dieses Kindes mit der Blutgerinnungsstörung. Zwar sei für »die meisten von ihnen das Leben eindeutig lebenswert«, wenn aber die Eltern stattdessen ein anderes Kind bekommen würden, wäre die Tötung trotzdem besser, da das »die Gesamtsumme des Glücks« erhöhe. Das steht auf den Seiten 292 und 293 der dritten Auflage der »Praktischen Ethik« von 2013.
Um sich solchen Strategien zur »Menschenleidminderung« entgegenzustellen, ruft ein Aktionsbündnis »Kein Forum für Peter Singer!« für den 26. Mai zu einer Kundgebung vor der Urania in Berlin auf.

Näheres unter: no218nofundis.wordpress.com