Die US-amerikanische NBA kommt zum Training nach Kuba

Außerirdische Korbleger

Die US-Basketballliga NBA veranstaltete zum ersten Mal ein Trainingscamp auf Kuba – weitere Ligen und Vereine werden bald ebenfalls im Land aktiv.

Kurzes Dribbling, Finte, Abstoppen, Sprungwurf aus der Halbdistanz – ein Zischen und der Ball fällt durch die Reuse. Konzentriert folgen die Damen der kubanischen Basketball-Nationalmannschaft den Anweisungen der Basketball-Legenden Steve Nash, Dikembe Mutombo und Ticha Penicheiro sowie den NBA-Trainern James Borrego von den Orlando Magic und Quin Snyder von den Utah Jazz.
»Ich bin seit 15 Jahren in der Nationalmannschaft und habe noch nie etwas Vergleichbares erlebt«, sagt Yoan Luís Haití, eine Art Methusalem des kubanischen Männer-Nationalteams. Er sitzt auf der Tribüne der wegen seiner eigenwillig geschwungenen und nach zwei Seiten offenen Dachkonstruktion »Schmetterling« genannten Basketball-Arena auf dem Campus der Sporthochschule »Manuel Fajardo« in Havanna und schaut aufmerksam dem Treiben auf dem Parkett zu. Haití und seine Mannschaftskollegen werden etwas später an der Reihe sein. »Das hätte schon vor langer Zeit passieren müssen«, schiebt Haití hinterher. »Es ist eine große Erfahrung, eine der besten Sachen in meinem Leben, mit Spielern solchen Formats zusammen zu trainieren«, freut sich Nationalmannschaftsneuling Elicier Quintana Alboniga neben ihm.
Die NBA hatte Ende April 2015 als erste US-Profiliga seit der durch die Präsidenten der USA und Kubas im Dezember verkündeten Annäherung und möglichen Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern ein Trainingscamp in Havanna veranstaltet – und trägt so ihren eigenen Teil zur diplomatischen Offensive der USA gegenüber der Karibik-Insel bei.
Weitere US-Ligen und -Vereine werden folgen: Anfang Juni will der frühere Pelé- und Beckenbauer-Klub Cosmos New York um Spaniens Stürmerlegende Raúl González als erster US-Profiverein ein Testspiel gegen die kubanische Fußballnationalmannschaft in Havanna bestreiten. Die US-Baseballliga MLB plant, im kommenden Jahr Saisonvorbereitungsspiele auf Kuba auszutragen, wie MLB-Commissioner Rob Manfred dem Wall Street Journal sagte.
Basketball ist auf Kuba allerdings weit weniger populär als Baseball oder auch Fußball. Dabei blickt das Land durchaus auf eine erfolgreiche Basketball-Vergangenheit zurück: Bei den Olympischen Spielen 1972 München gewann die Männerauswahl Bronze gegen Italien. Im Halbfinale war man der damaligen Sowjetunion unterlegen, die später in einem spektakulären Finale die US-Auswahl besiegte. Die letzte Olympiateilnahme liegt mit dem Jahr 1980 allerdings auch schon etwas zurück. Kubas Damen gewannen aber Bronze bei der Weltmeisterschaft 1990 und belegten bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona den vierten Platz.
»Unsere Reise ist etwas Historisches«, so Dikembe Mutombo, der 18 Jahre in der NBA spielte und demnächst in die Hall of Fame aufgenommen wird. Heute fungiert er als »internationaler Botschafter« der Liga. »Wir sind aber nicht hier als Politiker, sondern als Spieler für eine Kultur des Austausches.« Das Camp in Kuba sei Teil der Bestrebungen der NBA, den Basketballsport in Zentralamerika und der Karibik zu fördern. Ruperto Herrera, Präsident des Kubanischen Basketball-Verbandes, pflichtet ihm bei. »Wir sehen diese Aktivität als eine sportliche Veranstaltung und nicht als etwas Politisches.«
Auch wenn die Beteiligten den sportlichen Aspekt des Camps in den Vordergrund zu rücken suchen, spielt der veränderte politische Kontext natürlich eine Rolle. »Ganz klar haben die Gespräche zwischen den Regierungen Kubas und der USA dieses Camp erst möglich gemacht«, sagt der Argentinier Alberto Andrés García, als Regionaldirektor des Weltverbandes FIBA für den amerikanischen Kontinent zuständig, um gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass die FIBA schon des Öfteren Workshops, beispielsweise für Trainer oder Schiedsrichter, auf Kuba veranstaltet hat. »Nur war da die mediale Aufmerksamkeit eine andere … Plötzlich taucht die NBA auf und es scheint, als wären Außerirdische hier gelandet.«
Tatsächlich fand die NBA auf Kuba viele Jahre nur im Verborgenen statt. Informationen fanden oft nur über Verwandte in Miami ihren Weg auf die Insel. Die Dinge änderten sich ein wenig, als in den neunziger Jahren die NBA nach den Olympischen Spielen 1992 mit Stars wie Michael Jordan, Larry Bird oder Magic Johnson ihren weltweiten Siegeszug antrat. Ende der Neunziger begann das kubanische Fernsehen einige Partien zeitversetzt zu übertragen. Kubanische Spieler wie Lázaro Borrell oder Andrés Guibert schafften es sogar in die NBA. Borrel bestritt 1999/2000 17 Partien für die Seattle Supersonics; Guibert streifte in den Spielzeiten 1993/94 und 1994/95 insgesamt 22mal das Trikot der Minnesota Timberwolves über. Anfang der Siebziger, als die Liga noch ABA hieß, spielte der Kubaner Al Cueto für die Miami Floridians und die Miami Pros.
Auf mögliche zukünftige kubanische Akteure in der US-Profiliga angesprochen, weicht Steve Nash aus, zweimaliger MVP (most valuable player, höchste Einzelauszeichnung der Saison) und achtmaliger All-Star. Dies betreffe politische Themen, die außerhalb des Einflusses der Anwesenden lägen. In der Tat verhindert die Mitte der Neunziger verschärfte US-Blockadepolitik, dass kubanische Sportler Verträge in den USA unterzeichnen können, denn sie untersagt US-amerikanischen Unternehmen jedwede kommerzielle Verbindung mit Kuba. Um in der NBA oder anderen US-Ligen spielen zu können, müssen kubanische Athleten alle Verbindungen nach Kuba abbrechen – eine Regelung, die einzig für kubanische Sportler gilt.
Aber es muss ja auch nicht sofort die stärkste Basketballliga der Welt sein. »Was Kuba braucht, ist Wettkampf, Camps wie dieses, Trainer von außerhalb«, so Nash, den man in diesen Tagen in Havanna selten einmal sieht, ohne dass er einen Ball herumdribbelt. Er führt sein Heimatland Kanada als Beispiel an. Dort ist Basketball in vergangenen Jahren gezielt gefördert worden. »Heute gibt es mit den Toronto Raptors ein NBA-Team, zwölf kanadische NBA-Spieler unter 24 Jahren und die letzten beiden Top-Draft-Picks waren Kanadier.« Es gebe keinen Grund, warum Kuba mit mehr Möglichkeiten und Wettkampfpraxis nicht Ähnliches erreichen könne.
Kuba hat in den vergangenen Jahren damit begonnen, seinen Sport vorsichtig zu öffnen. Kubanische Baseballspieler sind heute in Japans oder Mexikos Profilliga aktiv. Im Basketball sind die Dinge noch nicht ganz so weit. Aber es gebe Gespräche mit Teams der argentinischen oder uruguayischen Liga, die Interesse an kubanischen Spielern gezeigt hätten, erzählt Haití.
Das Training mit Vorbildern wie Mutombo oder Nash könne helfen, das Niveau des kubanischen Basketballs zu heben, sagt er. »Ich hoffe, das Camp wiederholt sich in den kommenden Jahren, auch als Perspektive für junge Spieler, die nachkommen.«
»Und es trägt hoffentlich dazu bei, die Beziehungen zwischen den USA und Kuba zu verbessern«, sagt Quintana. Mutombo ist da zuversichtlich: »Der Sport hat eine große Kraft, Menschen und Kulturen zusammenzubringen, Brücken zu bauen. Wir sind hier und errichten die erste, andere werden weitere bauen.«