Aus Ruinen

Dass vor allem Trümmerfrauen das zerstörte Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg spontan, freiwillig und selbstlos wiederaufgebaut hätten, ist ein gut gepflegter Mythos, der lange ungeprüft geblieben ist. 70 Jahre nach Kriegsende berichtet die Historikerin Leonie Treber nach intensiver Archivrecherche, wer den Schutt tatsächlich wegräumte. Sie zeigt, dass die Trümmerbeseitigung bereits während des Krieges begann und hierfür keineswegs Frauen freiwillig in Heerscharen anrückten. Vielmehr wurden während des Krieges in großem Umfang Zwangsarbeiter – wie etwa Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge – für diese Arbeit eingesetzt.
Nach dem Krieg war schnell klar, dass die ungeheuren Schuttmassen nur durch professionelle Firmen mit Großgerät und Fachkräften beseitigt werden konnten. Frauen, die sich mit einfachem Gerät freiwillig dieser Arbeit annahmen, gab es hingegen kaum. Nicht zuletzt, weil die Beseitigung von Bombentrümmern auch als Resozialisierungsmaßnahme für Sexarbeiterinnen eingesetzt wurde und somit als stigmatisiert galt.
Treber stellt dar, wie sich der Mythos Trümmerfrau sowohl in der DDR als auch in der BRD etablieren konnte: Beiden Staaten diente die jeweils spezifische Konstruktion der Trümmerfrau als Versinnbildlichung ihres Frauenbildes, das sich jedoch als flexibel genug erwies, um nach der Vereinigung Deutschlands zu einem gesamtdeutschen Gründungsmythos zu werden.

Leonie Treber: Mythos Trümmerfrauen. Klartext- Verlag, Essen 2014,
483 Seiten, 29,95 Euro