»Denunziation und Prüderie«

Die Bundesregierung nennt es Prostituiertenschutzgesetz, Doña Carmen Prostituiertenkontrollgesetz. Die Selbsthilfeorganisation von Prostituierten ruft für Samstag um fünf vor zwölf Uhr zu einer Demonstration gegen das Gesetzesvorhaben auf dem Frankfurter Opernplatz auf. Juanita Henning, die Vorsitzende von Doña Carmen, hat mit der Jungle World gesprochen.

Welche Maßnahme des Gesetzes ist am gravierendsten?
Jede Maßnahme ist schlimm, zusammen sind sie sehr schlimm. Die Zwangsregistrierung für Prostituierte gab es zuletzt 1939. Die medizinische Zwangsberatung suggeriert, dass Prostituierte eine Gesundheitsgefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Bei der Prüfung der Einsichtsfähigkeit, dem Idiotentest, geht man offenbar davon aus, dass die Frauen nicht selbständig denken können. Das Nachweisdokument für Sexarbeiterinnen, der Hurenpass, muss Polizei, Bordellbetreibern und Kunden vorgezeigt werden. Die Frauen werden sozusagen vom Patriarchat kontrolliert.
Die Regierung gibt vor, zum Schutz der Prostituierten zu handeln.
Unter dem Vorwand von Schutz werden den Frauen Grundrechte abgesprochen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Anspruch auf rechtliche Gleichbehandlung werden missachtet. Das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung wird bei der Wohnungsprostitution eingeschränkt, die Polizei soll die Befugnis erhalten, ohne richterlichen Beschluss verdachtsunabhängig Wohnungen zu betreten.
Dennoch befürworten Sie eine Regulierung des Gewerbes.
Ja, aber bitte unter Wahrung der Grund- und Bürgerrechte der Frauen. Wir fordern die konsequente Entkriminalisierung von Prostitution, die rechtliche Gleichstellung mit anderen Erwerbstätigkeiten und die Anerkennung selbständiger Sexarbeit als freiberufliche Tätigkeit.
Erhält Ihr Protest Unterstützung?
Wir haben Brücken geschlagen zu Datenschützern. Der bekannte Netzaktivist Padeluun spricht auf unserer Demonstration. Der Blog Netzpolitik.org, die Datenschützer Rhein-Main und die Piratenpartei haben für sie geworben. Und wir haben Verbindungen zur Frauenbewegung. Denn jede Frau, die in ihrer Wohnung häufig wechselnden Männerbesuch hat, könnte künftig denunziert werden, einem meldepflichtigen Gewerbe nachzugehen. Ein böser Nachbar, schon könnte die Polizei ohne Durchsuchungsbefehl die Wohnung betreten. Denunziation und Prüderie – wer will so eine Gesellschaft?