Der Russe im Film

Kind 44. Ist Tom Hardy der neue Ryan Gosling? Nein, viel zu wenig Posterboy. Und Regie wird er in absehbarer Zeit auch nicht führen – anders als Gosling, auf dessen Debüt »Lost River« sich jeder stürzte, dem sein kometenhafter Aufstieg verdächtig vorkam. Hardy bleibt bei der Schauspielerei, mimt nun einen Russen, der vom Volkshelden zum Kämpfer für die Gerechtigkeit wird – in Stalins Sowjetunion des Jahres 1953 nicht unbedingt das Gleiche. Es ist nicht Hardys Schuld, dass »Kind 44«, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Rob Smith, in den USA kolossal gefloppt ist. Der Film zerfällt in seine Einzelteile, er eiert unentschieden zwischen Spionage-, Polit- und Serienkiller-Thriller herum. Was nicht der Grund dafür ist, dass er in Russland verboten wurde. Die Zeitung Kultur etwa war der Ansicht, Stalins Sowjetunion werde vorgeführt »wie Mordor und ihre Bewohner wie dreckige, unmoralische, feige Orks«. Dass der Holodomor thematisiert wird, dürfte ein Übriges getan haben.   oko
Die Verwandlung
Transgender-Spektakel. Bruce Jenner holte 1976 die olympische Goldmedaille im Zehnkampf, zierte das Cover von Playgirl, war der durchtrainierte Athlet schlechthin und ist nun: eine Frau. »Willkommen in der Welt, Caitlyn – ich kann kaum abwarten, dass ihr mich/sie kennenlernt«, twitterte sie und lächelt vom aktuellen Cover der Vanity Fair. »Mutig« fand Barack Obama das Coming-out Jenners, die in den vergangenen Jahren dafür sorgte, dass ihre Metamorphose die Öffentlichkeit beschäftigte; »heldenhaft« nannte es die New York Times, Fox News hingegen bezeichnete sie als »Rom, kurz vor dem Untergang« und beim Internationalen Olympischen Komitee ging eine Petition ein, Jenner die Goldmedaille abzuerkennen. Viele Trans-Leute fühlen sich nicht repräsentiert von Jenner. So auch die Schauspielerin Laverne Cox (»Orange Is The New Black«): »Die meisten Trans-Leute verfügen nicht über die Privilegien, die Caitlyn und ich genießen. Es sind diese Trans-Leute, die wir weiterhin aufrichten müssen.«   oko
Winnetou ist tot
Pierre Brice. Es ist nicht akzeptabel, wenn der Gute stirbt, zumal wenn er so gut ist wie Winnetou in den Harald-Reinl-Filmen der Sechziger. Fast jeder aus der Altersgruppe 40 plus kann darüber berichten, wie die Tränen flossen, als der edle Apatsche im letzten Teil der Winnetou-Trilogie durch die Kugel des ruchlosen Schurken Santer fiel. Noch sterbend haucht er seinem Freund »Charlie« die Botschaft von Liebe, Frieden und Versöhnung ins Ohr, die so wundervoll kontrastiert mit der brutalen Goldgier ihrer Widersacher. Am Wochenende ist Pierre Brice, der zeit seines Lebens der Rolle als Häuptling verhaftet blieb, an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben. Dass der ehemalige französische Résistance-Kämpfer und Indochina-Soldat, dessen Vorbild Jean Gabin war, so eingedeutscht werden konnte, dass er zum teutonischen Fernsehinventar einfach dazugehörte, lag vielleicht auch an einer Neigung, die er dem Spiegel kurz vor seinem Tod anvertraute: »Ich hatte immer ein Faible für blonde deutsche Frauen.«   uk
Sei nicht dabei
Deutschland. »Erobern Sie mit Bild die Kinoleinwand und werden Sie Teil des neuen Films von Erfolgsregisseur Sönke Wortmann.« Herrje, was ist denn da los? Sönke Wortmann (»Das Wunder von Bern«) hat die Deutschen dazu aufgerufen, sich am 20. Juni selbst zu filmen. 24 Stunden haben sie Zeit, Einblicke in ihr ereignisreiches und überhaupt mitteilenswertes Leben zu geben, alles zu dokumentieren und Wortmann zukommen zu lassen. Herauskommen soll ein »kollektives Selbstporträt« der Deutschen – Wortmann wird es zusammenstellen und sicherlich dafür sorgen, dass…»Deutschland. Made in Germany« dieses Gütesiegel verdient. Auf seine Weise.   oko