Ofenbrot

Ein tollkühnes Experiment, ja ein ganzes neues Experimentierfeld leisten sich derzeit die Pizzaformer der Firma Wagner. Möchten sie doch gleichzeitig an die Besser-Leben-Klientel wie auch an das Volk Patriotischer Party-Europäer appellieren und verkünden daher auf Facebook und sonstwo: »Wir sind immer noch Weltmeister, und das feiern wir – mit dem neuen Rustipani Ofenbrot!« Denn das kennt man ja: Kaum steht man morgens auf, fällt einem auch schon ein, dass Deutschland, also wir, also man selbst immer noch Weltmeister ist, fällt man auch schon mit einem Jubelschrei auf die Knie, ruft aufgeregt Freunde und Verwandte an und läuft dann grölend in den Supermarkt, um dort »Rustipani Ofenbrot« zu kaufen. Denn die immerwährende Weltmeisterschaft, die über diese Nation verhängt wurde, verlangt nach einer besonderen Zwischenmahlzeit. Keinesfalls darf es irgendein mit Speiseresten belegter Billigteigling sein, eventuell gar von der Rewe-Hausmarke. Nein, es muss ein »Rustipani Ofenbrot« sein! Was für ein perfekt synthetisiertes Wortgebilde! Im Rustipani stecken der rusticus, der Landmann, der rüstige wie auch gerüstete LandlustLeser, dem der Ruß des Ofenbrots bzw. Ofipani vor lauter Urigkeit und Erdverbundenheit noch an den Fingerkuppen hängenbleibt. Das Ofenbrot hingegen negiert schon dem Begriff nach streng, dass es eine in Zellophan gehüllte Teigwurst ist und im wesentlichen aus Nährwert besteht. Und schwingt im Suffix-pani nicht gleich der Fußball noch einmal mit, die Einheit von pane und Panini, Brot und Spielen prachtvoll illustrierend? So bleibt man streng im Mittelfeld der deutschen Tristesse von Brotzeit und Bolzplatz – und bringt zugleich unnennbare Sehnsüchte nach Toskana, Rotwein und Mikrowellenfraß zum Ausdruck. Fürwahr, Goethe hätt’s nicht schöner wörden können.