Deutscher Wald

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»Bäume lasst das glotzen sein, kommt herunter, reiht euch ein!« Der G7-Gipfel in Elmau vorige Woche hat mal wieder die Frage aufgeworfen: Demonstrieren im Wald – geht das? Bringt das was? Und auch: Darf man das? Denn auch die Frage stellt sich: Wem gehört der Wald? Der Deutsche und sein Wald, das ist ja eh ein mächtig mythologisch aufgeladenes Ding. Tatsächlich gibt es in Deutschland 90 Milliarden Bäume, also kommen auf jeden Einwohner 1 125. Ein Drittel der Fläche Deutschlands ist mit Wald bedeckt. Im EU-Vergleich ist das jedoch unterdurchschnittlich. Skandinavien ist viel bewaldeter, in Slowenien sind 60 Prozent des Landes Wald, im EU-Durchschnitt sind es 40 Prozent. Am wenigsten Wald haben die Niederlande mit 7,6 Prozent.
Nun ist Wald nicht gleich Wald. Der größte Teil des deutschen Waldes ist im Grunde genommen Forst, dient also der Jagd und der Holzgewinnung. Nur 1,9 Prozent des Baumbestandes walden einfach so vor sich hin. Und wem gehört nun all dieser deutsche Wald? Knapp die Hälfte ist in Privatbesitz. Insgesamt verfügen etwa zwei Millionen Eigentümer – Körperschaften und Staat eingerechnet – über das Grünzeug, darunter jede Menge Kleinstwaldbesitzer, von denen viele nur gerade so ahnen, dass sie irgendwo ein paar Bäume ihr Eigen nennen können. Die größten deutschen Privateigner sind von drei Ausnahmen abgesehen allesamt Adelsfamilien. Am meisten Wald besitzen – ja, das alles gibt es wirklich – die Thurn und Taxis, Christian Erbprinz zu Fürstenberg, Fürst von Hohenzollern, Hatzfeld-Wildenburg, Riedesel Freiherren zu Eisenbach, Sayn Wittgenstein-Berleburg, das Haus Oettingen-Wallerstein, Familie Waldburg zu Zeil und Trauchburg, Haus Bismarck, Fürstenhäuser Castell-Rüdenhausen und Castell-Castell, Fürstlich Löwenstein-Wertheim-Freuden-berg’sche Verwaltung, Gräflich-Erbach-Fürstenauische Verwaltung, das Fürstenhaus Oettingen-Spielberg und Prinz Ludwig von Baden. Und auch Philipp zu Guttenberg, der Bruder des früheren deutschen Verteidigungsministers, gehört zu den durchlauchten Waldbesitzern.
Man könnte also meinen, in Sachen Wald sei in Deu-tschland die Zeit stehen geblieben. Doch das stimmt nicht ganz. Denn heute kann man, und das ist großartig, den Wald fast überall betreten, gratis. Was so selbstverständlich scheint, musste erst von der Arbeiterbewegung erkämpft werden. Bei sozialdemokratischen Wandervereinen und der Naturfreundebewegung ging es zunächst um die soziale Aneignung des Waldes, der früher von den Feudalherren der Öffentlichkeit vorenthalten wurde. Betreten verboten, hieß es da.
»G7 in die Suppe spucken – autonome Wandergruppen«, rief man in Elmau beim Protest im Grünen. Letztlich spuckte man jedoch nur in den Wald. Die Politiker sahen den Protest vor lauter Bäumen nicht. Da ist es dann auch egal, wem der Wald gehört.