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Häufig wird dieser Redaktion vorgeworfen, sie halte es nicht so richtig mit der Linken, spalte, wo sie nur könne, und habe statt solidarischer Kritik nur Hohn und Spott für allerlei Grüppchen, Gruppen und Bewegungen übrig. Doch geradezu das Gegenteil ist der Fall. Eine Begebenheit aus dem Redaktionsalltag beweist, wie sehr sich Redakteurinnen und Redakteure dieser Zeitung sogar Anregungen aus einer linken Strömung zu Herzen nehmen, die in der Jungle World bislang nur mit schärfster Kritik und beißender Polemik bedacht wurde: Critical Whiteness. So brühte sich ein Kollege am Dienstagmorgen einen Kaffee auf, um diesen so zu genießen, wie er es immer tut: ohne Milch und Zucker. Auf die Frage einer Kollegin, was er da in sich hineinschlürfe, entgegnete der polyglotte Kaffeetrinker: »Black coffee.« Was die Kollegin mit dem Hinweis quittierte: »Das heißt nicht black coffee. Das heißt Coffee of Color.« Und so ist die Welt nun um eine Getränkebezeichnung reicher und sprachpolitisch noch ein Stückchen besser. Einen CoC auf die Critical Whiteness!
Ein Hoch gebührt auch einer Kollegin und einem Kollegen. Denn sie halten die Redaktionsmitglieder, die sich tagein, tagaus mit Politquatsch herumschlagen, über das auf dem Laufenden, was wirklich wichtig ist: Mode und Gossip. Ohne sie, die sich unter der Tarnbezeichnung »Feuilleton« in einem Redaktionsraum einen luft- und lichtdicht verschließbaren Plauderbunker eingerichtet haben, hätten andere Kollegen wahrscheinlich niemals erfahren, dass die Trendfrisur dieses Sommers der »Herrendutt mit Undercut« ist. Ein Rätsel ist allerdings immer noch, warum junge Männer unbedingt aussehen wollen wie Samurais nach einem Unfall mit dem Kurzhaarschneider. Und da manche zudem auch noch einen Bart tragen: wie eine Mischung aus einem verunglückten Samurai und einem IS-Jihadisten. Zudem wissen Kolleginnen und Kollegen, die dank Critical Whiteness für die mannigfaltigen Erscheinungsformen weißer Privilegien sensibilisiert sind, dass deutsche Jungmänner, die ihre Kopf- und Gesichtsbehaarung nach dem Vorbild von Rassismus negativ betroffener Menschen zurechtmachen, nicht weniger begehen als Kulturkannibalismus. Wer sich also diesen Sommer mit Bart, Herrendutt und Undercut in die Räume der Jungle World verirrt, wird mit mehreren CoC bestraft. Auf nüchternen Magen!