Kanzlerin der Herzen

Angela Merkel hat nun auch einen Account beim Fotodienst Instagram. Bundeskanzlerin heißt sie dort. Als ob sie schon wüsste, dass sie den Account nach der Bundestagswahl 2017 nicht an Sigmar Gabriel abgeben muss. Bedient wird der Account von ihrer Social-Media-Managerin, die Bilder macht ein Team aus Fotografen und Fotografinnen. Merkel, wie sie im Kanzlerinnenamt vor einer Nebelwand innig zu Petro Poroschenko spricht. Merkel, wie sie dem Papst zuhört. Merkel, wie sie im Kreis von Soldaten spricht. Merkel, wie sie Weißwurst und Brezn zum Weißbier isst. Es sind perfekt inszenierte Bilder, viele schwarz-weiß, zum Teil abstrakt, filigran, mondän – astreine Propaganda. Mittlerweile verfolgen über 44 000 Nutzer und vor allem Nutzerinnen der Plattform, was Merkel posten lässt. Insbesondere die hohe Zahl der Nutzerinnen bei Instagram wird Merkel bewogen haben, dort einen Account anzulegen: Es gibt kaum eine Plattform, auf der so viele junge Frauen erreicht werden können. Zu den zahlreichen Lifestylebloggerinnen und Kim Kardashians gesellt sich nun also die »mächtigste Frau der Welt«. Selbst folgt sie der brasilianischen Präsidentin und anderen Regierungschefs. Ein Selfie hat sie bisher jedoch nicht gepostet.
Das Bild mit den meisten Herzen – die Instagramversion des Like-Daumens – ist eine aus der Froschperspektive aufgenommene, menschenlose Landschaftsaufnahme von Schloss Elmau, wo der G7-Gipfel stattfand. Sonne, Blumen, Wiese, ein paar Wölkchen, die Alpen. Eine unpolitische Idylle des Grauens und ein Symbolbild für Merkels Politik. Kein Inhalt, schöne Form. Eine technokratisierte Politik, die jede Kritik abprallen lässt, auch weil sie so erfolgreich ist. Und wie soll sie auch aussehen, die Kritik, wenn es keinen greifbaren Inhalt gibt? Die Kanzlerin aller Deutschen, wie sie sich selbst gerne bezeichnet, ist in ihrem Pragmatismus letztlich nur auf ihren eigenen Machterhalt aus, so wie andere auch. Konkret heißt das: Die Mehrheit der Deutschen irgendwie besänftigen und ihnen ihre kruden, bisweilen menschenverachtenden Ansichten lassen, Krisen weit weghalten, lächeln und winken. Postideologisch sozusagen. Ideologie ist ihr vielmehr suspekt, was ideologische Kritik an ihr verpuffen lässt: Machiavelli trifft auf Carl Schmitt trifft auf den gnadenlosen Zynismus der Postmoderne. Angela Merkel bestätigt letztlich, dass das, was Adorno über die Konsumgesellschaft sagte, auch für die Politik gilt: Merkels Agieren als Staatschefin ist durchschaubar, aber dennoch wird ihr der Gehorsam zu keinem Zeitpunkt verweigert. Es ist wie mit dem neusten Plastikspielzeug. Eigentlich ist klar, unter welchen unerträglichen Umständen es produziert wurde. Aber die Versuchung ist zu groß, es doch zu kaufen. Genauso wie die Versuchung, das hübsche Bild aus Elmau, das die Bundeskanzlerin hat posten lassen, doch zu liken.