Die Uno und die Menschenrechte

Rechte gegen ­Rechte

Die Uno spiegelt die globalen Machtverhältnisse wider.

Nach dem Grundproblem der Uno muss man nicht lange suchen, die Organisation der Vereinten Nationen trägt es ihn ihrem Namen. Ihre Mitglieder sind Staaten, also deren Regierungen, in einer »souveränen Gleichheit« (UN-Charta), wie auch immer sie an die Macht gekommen sind und diese ausüben. Die UN-Menschenrechtserklärung hingegen garantiert die Grundrechte, implizit also die Demokratie, denn bei Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit, Meinungs-, Versammlungs- und Organisationsfreiheit hätte ein Diktator wenig Freude an seinem Job. Somit steht sie im Widerspruch zur UN-Charta, die eben diese Diktatoren vor einer Einmischung in Angelegenheiten schützt, die als die ihren betrachtet werden. Nicht nur von Diktatoren wird gern vergessen, dass die Charta dazu verpflichtet, »den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern«, und die Menschenrechtserklärung unter anderem ein Gebot zur internationalen Zusammenarbeit bei der Gewährleistung sozialer Sicherheit enthält.
Mittlerweile spricht man zwar von einer responsibility to protect, wenn ein Regime allzu viele seiner Untertanen massakriert, aber auch in solchen Fällen geht es nur darum, das Blutvergießen wieder auf das nach internationalem Standard akzeptable Maß zu reduzieren, ohne die Verhältnisse anzutasten, die es verursacht haben. Die Uno sieht nur autoritäre Eingriffe vor, Sanktionen oder Militäreinsätze, nicht aber Hilfe zur Selbsthilfe bei der Befreiung. An sich bedürfte es einer responsibility to liberate, einer Verplichtung, Bewegungen gegen Diktaturen zu unterstützen, um wenigstens den Standard der bürgerlichen Demokratie global durchzusetzen, während die responsibility to protect bereits bei der Zerschlagung des griechischen Gesundheitssystems beginnen müsste.
Stattdessen werden bereits als gesichert betrachtete Errungenschaften in Frage gestellt. Wenn früher Menschenrechtsverletzungen einer Regierung angeprangert wurden, behauptete diese wenigstens noch, die Vorwürfe seien falsch oder sie bräuchte mehr Zeit, den an sich wünschenswerten Zustand der Geltung dieser Rechte herbeizuführen. Diese Schüchternheit schwindet. So erklärt das saudi-arabische Außenministerium, dass man »alle internationalen Konventionen respektiert hat, die in Übereinstimmung mit der Sharia stehen«. Viele sind das nicht.
Der Zustand der Uno spiegelt die globalen Machtverhältnisse wider, und in der multipolaren Welt gewinnen autokratische und rechtsextreme Regierungen an Einfluss. An sich läge es nahe, eine Organisation der säkularen Zusammenarbeit gegen Bestrebungen zu gründen, die Menschenrechte im Sinne der Sharia oder anderer freiheitsfeindlicher Dogmen umzudefinieren, und bei dieser Gelegenheit gleich die Lücken zu schließen, die es etwa im Hinblick auf LGBTI gibt. Vollauf mit der Durchsetzung eines Freihandelsregimes beschäftigt, das den sozialen Rechten widerspricht und die politischen gefährdet, nicht selten auch voller Verständnis für die Bedürfnisse der Diktatoren oder selbst der Ansicht, ihre Bürger genössen zuviel Freiheit, raffen sich westliche Politiker jedoch allenfalls zu defensiven Mahnungen auf.
Linke haben die Uno oft romantisiert, aber United Nations und United Humanity sind zwei verschiedene Dinge. Staatskritik ist immer auch UN-Kritik, doch selbst wenn es um das vergleichsweise bescheidene Ziel geht, den Mindeststandard der Menschenrechte zu erhalten, kann dies nicht internationale Verhandlungen, sondern nur durch eine Änderung des globalen Käfteverhältnisses gelingen.