Katharina Mahrt im Gespräch über die Drohne, die Abtreibungspillen nach Polen geliefert hat

»Die Piloten wurden angezeigt«

Am Samstag hat eine Drohne die deutsch-polnische Grenze überquert, um Abtreibungspillen nach Polen zu befördern und auf die repressive Situation für ungewollt schwangere Frauen aufmerksam zu machen. Katharina Mahrt von der Berliner Gruppe »Ciocia Basia« war dabei.

Wie sieht die gesetzliche Situation für ungewollt schwangere Frauen in Polen aus?
In Polen ist ein Schwangerschaftsabbruch in den meisten Fällen illegal. Ausnahmen sind eine Gefahr für das Leben der Frau oder Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung. Aber auch dann führen Ärzte die Abtreibungen oft nicht durch und versuchen, alles zu verzögern. Die 14jährige P., die von einer Vergewaltigung schwanger geworden war, musste ins Ausland reisen, weil sie in Polen keinen Arzt fand, der bereit war, den Eingriff vorzunehmen. Alicja Tysiąc, bei der die Schwangerschaft zur Erblindung führte, hat versucht, über die medizinische Indikation einen legalen Abbruch zu bekommen. Sie konnte sich eine illegale Abtreibung einfach nicht leisten. Der Europäische Gerichtshof hat den Frauen in beiden Fällen zwar Recht gegeben, aber da war es ja schon zu spät. Das sind zwei Beispiele dafür, dass es selbst die wenigen Frauen, die gesetzlich das Recht hätten, ihre Schwangerschaft oft nicht legal abbrechen können.
Was bedeutet das für die Frauen?
Es gibt jedes Jahr ungefähr 750 legale Abbrüche. Das heißt, selbst wenn die Abtreibungsrate so niedrig wäre wie in Deutschland, müsste es mindestens 50 000 Abbrüche pro Jahr geben. Da aber die Verhütungssituation und die sexuelle Aufklärung sehr schlecht sind, könnten es weit mehr ungewollte Schwangerschaften sein. Frauen haben dann die Möglichkeit, sich bei »Women on Web«, einer niederländischen Frauengesundheitsorganisation, Abtreibungspillen zu bestellen. Sie können aber auch in die Ukraine, nach Deutschland oder Großbritannien fahren, um dort einen sicheren Abbruch vornehmen zu lassen. Ein illegaler Abbruch in Polen kostet etwa 1 000 Euro.
Frauen in dieser Situation versucht die Gruppe »Ciocia Basia« zu helfen?
Ja. Wir kritisieren, dass mit der bedrängten Situation der Frauen Profit gemacht wird. Wir bieten eine Hotline an, bei der Schwangere sich informieren können. Wenn sie für die Abtreibung nach Deutschland beziehungsweise nach Berlin kommen wollen, helfen wir ihnen bei der Organisation, bieten Übersetzung und Übernachtungsmöglichkeiten an. Wir organisieren die Termine für die Zwangsberatung nach dem deutschen Gesetz und haben mit einer Ärztin spezielle, niedrige Preise für einen medikamentösen Abbruch oder eine Absaugung ausgemacht. Um die Frauen darüber hinaus finanziell unterstützen zu können, sammeln wir auch Spenden. Uns gibt es seit etwa einem Jahr. Neue Aktivistinnen sind willkommen, da wir gerne noch mehr tun würden.
Wie arbeiten Sie mit polnischen Feministinnen zusammen?
Das ist schwierig, weil es in Polen strafbar ist, jemandem bei einer Abtreibung zu helfen. Die Frau selbst wird nicht bestraft, aber alle, die sie unterstützen. Darum sind polnische Aktivistinnen auch unsicher, ob nicht schon die Weitergabe der Information, was wir bei »Ciocia Basia« machen, illegal ist. Für die Drohnen-Aktion bedeutete das, dass die schwangeren Frauen, die die Abtreibungspille nehmen wollten, die Packungen selbst von der Drohne nehmen mussten, sie alleine aufmachen und schlucken mussten. Wenn ihnen jemand dabei geholfen hätte, hätte sich diese Person strafbar gemacht.
Wie ist die Aktion abgelaufen?
Die niederländische Gruppe »Women on Waves« hatte die Idee, sie hat sich um die Spenden und Logistik gekümmert. Sie hat verschiedene Organisationen und Gruppen angefragt, ob sie sich beteiligen wollen. Alle, die staatliche Gelder bekommen, haben abgesagt, auf beiden Seiten der Grenze. Teilgenommen haben auf der polnischen Seite die »Feminoteka Foundation« aus Warschau und das polnische Kollektiv »Porozumienie kobiet 8 marca«. Außerdem Mitglieder der linksliberalen und antiklerikalen Partei »Twój Ruch«, die zurzeit die drittstärkste Partei im polnischen Parlament ist.
Die Idee war, eine symbolische Aktion zu machen, die es einzelnen Frauen ermöglicht, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Die Abtreibungspille ist in Polen nicht zugelassen. Die Drohne ist in Frankfurt gestartet und über die Oder nach Słubice geflogen. Dort haben zwei ungewollt Schwangere, die vorher von einer Frauenärztin ein Rezept bekommen hatten, die Tabletten entgegengenommen und geschluckt.
Vor der Aktion hatten katholische polnische Medien gehetzt, die Abtreibungsmafia würde den Tod vom Himmel bringen. Es gab sogar Ankündigungen, die Drohne abzuschießen. Sind Sie auf »Lebensschützer« getroffen?
Wir hatten damit gerechnet, dass aufgrund der vorherigen Drohungen der meiste Widerstand auf der polnischen Seite stattfinden würde. Tatsächlich hat aber die deutsche Polizei gewartet, bis die Drohnen losgeflogen sind, und dann versucht, die Steuerungsgeräte zu beschlagnahmen. Es gab zwei Drohnen, eine mit einer Kamera und eine mit den Tabletten. Sie konnten aber sicher gelandet werden. Die Sachen der Piloten wurden beschlagnahmt und ihre Personalien festgestellt. Sie sind auch angezeigt worden, aber wir wissen nicht genau, warum.
Und auf der polnischen Seite?
Die Abtreibungsgegner kamen erst, als die Frauen die Tabletten schon geschluckt hatten. Vielleicht haben sie ihren Zug verpasst, die eine Gruppe kam nämlich aus Berlin. Nach denen kam noch eine Gruppe Jugendlicher aus Szczecin, die drei Körbe mit Plastikföten dabei hatten. Die haben uns fotografiert und später die Pressekonferenz gestört, waren aber nicht besonders aggressiv. Die Abtreibungsgegner wollten der Aktion durch einen Abschuss wohl dann doch nicht noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen.