Rechte Fußball-Hools auf dem Balkan

Fans des Hasses

Ein Hakenkreuz im Stadionrasen im kroatischen Split, antisemitische Parolen in Zenica in Bosnien und Herzegowina, »Drohnenkrieg« beim Spiel zwischen Serbien und Albanien. Warum der Fußball auf dem Balkan nach rechts rollt.

Beim EM-Qualifikationsspiel Italien gegen Kroatien am 12. Juni konnten die Fernsehzuschauer beobachten, wie sich ein Hakenkreuz auf dem Rasen im Poljud-Stadion in Split abzeichnete. Offenbar waren vor dem Spiel Chemikalien eingesetzt worden, um dem Publikum dieses Bild zu präsentieren. Das Match fand vor leeren Rängen statt, weil kroatische Fans bereits beim 5:1 gegen Norwegen im März rechtsextreme Parolen gegrölt hatten. Die Uefa leitete ein Disziplinarverfahren gegen den kroatischen Verband ein.
In Zenica in Bosnien und Herzegowina, 200 Kilometer nordöstlich von Split, kam es am selben Tag zu einem weiteren Eklat. Vor dem Spiel gegen Israel trampelten die bosnischen »Fanaticos« auf der Israelfahne herum und skandierten »Palästina, Palästina«. Ein Bild von diesem Treiben schaffte es bei Facebook auf über 11 000 Likes und Kommentare wie »Hitler sollte zurückkommen und sich ihrer annehmen« oder »Die Juden sind eine dreckige Rasse« sammelten sich unter dem Foto. Eine Gruppe von Bosnien-Fans pöbelte zudem vor dem Hotel, in dem die israelische Mannschaft untergebracht war, grölte antisemitische Parolen und warf Rauchgranaten. Im Stadion wurde die israelische Mannschaft mit einem lauten »Palästina, Palästina« begrüßt. Während des Spiels schrien tausende Fans: »Juden, auf Wiedersehen« – auf Deutsch.
Auch serbische und albanische Fussballfans lassen es sich nicht nehmen, ihren Nationalchauvinismus ins Stadion zu tragen. Am besten funktioniert das natürlich, wenn die Nationalteams gegeneinander spielen. Im Oktober vergangenen Jahres schrien die Fans im Belgrader Stadion kollektiv »Tötet die Albaner«, bis plötzlich eine Drohne vom Himmel geflogen kam, an der eine Flagge Großalbaniens be­festigt war. Der serbische Spieler Stefan Mitrović zupfte sie herunter, woraufhin er von albanischen Spielern attackiert wurde. Serbische Fans stürmten auf das Spielfeld und griffen Spieler der gegnerischen Mannschaft an, die wiederum versuchten, sich in die Umkleideräume zu retten. Die Drohne soll von Olsi Rama, dem Bruder des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama, aus der VIP-Lounge auf das Spielfeld gelenkt worden sein.
Die Bilder in den Stadien des westlichen Balkans ähneln sich. Um sich zu integrieren, muss man eigentlich nur wissen, welche Gruppe von Menschen gerade besonders unbeliebt ist. Mal sind es Serben, mal Kroaten, Juden, Albaner oder Muslime. Das hängt davon ab, in welchem Land man ins Stadion geht. Gegen Roma und Schwule hingegen kann man überall hetzen.
Dario Brentin beschäftigt sich mit diesen Problemen und geht trotzdem manchmal ins Stadion. Er promoviert über Sport und nationale Identitäten im postsozialistischen Kroatien und lehrt an der Universität Graz. Trotz der Parallelen sieht er Unterschiede zwischen den Problemen in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien: »Ich empfinde die neue Welle des Antisemitismus in Bosnien als Reaktion auf den polemisierten Diskurs in der Palästina-Israel-Frage, der als Projektionsfläche genutzt wird. Ich glaube kaum, dass sich die Leute konkreter mit dem Konflikt auseinandergesetzt haben.«
Vor dem Freundschaftsspiel Bosnien und Herzegowina gegen Österreich im März versammelten sich Anhänger der bosnischen Mannschaft auf dem Wiener Stephansplatz. Dort fand eine Pro-Palästina-Kundgebung statt, der sich die bosnischen Fans anschlossen. Sie begannen, »Tötet die Juden« zu skandieren. Nach den sogennanten ethnischen Säuberungen während des Jugoslawienkrieges waren zunächst Parallelen zur jüdischen Geschichte aufgemacht worden. Der Tenor war, dass sowohl bosnische Muslime als auch Juden sehr gelitten hätten und daher miteinander verbunden seien. Nun beobachtet Brentin eine Umkehrung dieses Diskurses: »Man solidarisiert sich nun stärker mit der palästinensischen Seite und sieht die Israelis, bezeihungsweise Juden, als Agressor. Da verschwimmen Antisemitismus und Antizionismus ineinander – es wird alles miteinander vermischt und als eine Einheit wahrgenommen.«
In Kroatien sieht Brentin das Problem stärker bei einer historischen Relativierung des von 1941 bis 1945 existierenden faschistischen »Unabhängigen Staats Kroatien« (NDH): »In Kroatien wird die Erinnerung an Verbrechen verweigert, wodurch es zu solchen Szenen kommt.« Der Politikwissenschaftler vermutet, dass es sich bei dem Hakenkreuz im Rasen in Split auch um einen taktischen Schachzug gehandelt haben könne: »Ich will die Probleme in Kroatien nicht kleinreden, aber wenn es kroatische Faschisten gewesen wären, hätten sie eher ein Ustascha-Kreuz benutzt. Ich glaube, das waren einfach Leute, die dem kroatischen Verband schaden wollten. Sicher wissen wir das aber nicht.«
Zlatko Nikolić engagiert sich bei der Ultragruppe Bijele anđele (weiße Engel), die den Verein NK Zagreb anfeuert, der sich gegen Rassismus und Homophobie einsetzt. »Als Fans, die sich gegen den Ultranationalismus im kroatischen Fußball stellen, sind wir eine kleine Minderheit. Alle anderen Gruppen sind offen nationalistisch«, so Nikolić. Er erklärt das mit den Verhältnissen zur Zeit der Entstehung dieser Gruppen: »Die Ultraszene hat sich bei uns Ende der achtziger Jahre als Instrument des zwischenethnischen Hasses im ehemaligen Jugoslawien gebildet.« Das Hakenkreuz beim Spiel gegen Kroatien überrascht ihn wenig: »In der kroatischen Politik wird mit Nationalismus kokettiert und dass das von sogennanten Hooligans aufgegriffen wird, sollte niemanden wundern. Sich als Fan gegen Nationalismus und Diskriminierung zu stellen, bedeutet, sich gegen einen großen Teil der kroatischen Gesellschaft zu stellen.« Gegen die Rechtsextremen in den Stadien aufzutreten, ist zudem gefährlich. Die Mitglieder von Bijele anđele sind regelmäßig Angriffen von Rechtsextremen ausgesetzt.
In Kroatien werden die Ustascha-Faschisten nicht nur von den Fußballfans gefeiert, sondern auch von Spielern. Nach einem 2:0 Sieg über Island qualifizierte sich die kroatische Mannschaft am 19. November 2013 für die WM in Brasilien. Verteidiger Josip Šimunić feierte das auf seine ganz eigene Art. Er packte sich ein Mikrofon und schrie laut »Za dom«, von den Rängen antwortete es »spremni«. Der Gruß »Za dom spremni« (Für die Heimat be­reit) war der Gruß der kroatischen Ustascha-Faschisten. Šimunić wurde daraufhin für zehn Pflichtspiele gesperrt. Davor Šuker empörte die Aktion nicht sonderlich. Der Präsident des kroatischen Fußballverbandes erklärte, Kroatien spiele die WM zu Ehren Simunićs. Šuker selbst ließ sich bereits 1996 mit einem Lächeln im Gesicht am Grab des faschistischen Diktators Ante Pavelić fotografieren.
Sogar die Jugoslawienkriege sollen am 13. Mai 1990 im Zagreber Maksimir-Stadion begonnen haben. Ein Erstligaspiel zwischen Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad eskalierte bereits vor dem Anpfiff zu einer Massenschlägerei, ausgelöst durch nationalistische Hooligans beider Seiten, die aufeinander losgegangen waren. Zvonimir Boban, zu diesem Zeitpunkt Dinamo-Spieler und später Kapitän der kroatischen Nationalmannschaft, beteiligte sich an diesen Ausschreitungen und trat einen Polizisten, der zuvor einen Dinamo-Fan niedergeschlagen hatte. Dieser Tritt wurde in Kroatien zu einem nationalen Symbol für die Auflehnung gegen den jugoslawischen Vielvölkerstaat im Allgemeinen und Belgrad im Besonderen. Kurze Zeit nach diesem berüchtigten Spiel dürften sich sowohl die Dinamo-Ultras, die Bad Blue Boys, als auch die Belgrader Ultras auf dem Schlachtfeld wiedergesehen haben. Erstere meldeten sich als Freiwillige, um gegen die serbische Armee zu kämpfen, letztere sammelten sich um den Kriegsverbrecher Željko Ražnatović, bekannt unter seinem Pseudonym »Arkan«, den Anführer der paramilitärischen Serbischen Freiwilligengarde, die für Massenmorde und systematische Vergewaltigungen verantwortlich war.
Dario Brentin glaubt jedoch nicht, dass der Krieg im Maksimir-Stadion begann: »Das ist ein moderner politischer Mythos, der sich in Kroatien größerer Beliebtheit erfreut als in Serbien.« Die Probleme in Serbien sieht er im All­tagsrassismus und in der physischen Gewalt, die noch extremer sei als in den Nachbarländern: »Wenn zum Beispiel Roter Stern gegen Partizan spielt, dann geht da kaum noch ein normaler Mensch hin. Jeder weiß, dass es zur Gewalteskalation kommen wird«.