»Verdi hätte von sich aus nie zum Streik aufgerufen«

Andreas Heinz ist derzeit beurlaubter stellvertretender Betriebsrat und Mitglied der FAU-Betriebsgruppe des Kinos Babylon in Berlin-Mitte. Die FAU führte dort 2009 einen Arbeitskampf, dem der Geschäftsführer des Kinos, Timothy Grossman, sich entzog, indem er mit Verdi einen Haustarifvertrag zu für ihn günstigeren Bedingungen schloss.

Was ist der Anlass des aktuellen Babylon-Streiks?
Fünf Jahre nach Abschluss des Dumping-Tarifvertrages wurden Anpassungen nach und nach zugesagt. Doch davon ist nicht viel eingehalten worden. Die Arbeitsbedingungen sind eher schlechter geworden, und die Zahl der Kündigungen hat groteske Ausmaße angenommen. Die letzten vom damaligen Arbeitskampf verbliebenen Mitarbeiter wandten sich an Verdi. Die Gewerkschaft reagierte mit der Aufforderung, doch erst einmal sieben Mitglieder zu organisieren. Wir waren alle erstaunt, dass es gelang. Im September 2014 wurde der Haustarifvertrag zum Jahresende gekündigt. Erste Verhandlungen gab es erst im April 2015.
Wie geht es dem Kino wirtschaftlich?
Dem Kino müsste es nicht schlecht gehen. Es ist oft rappelvoll, Zuschauerzahlen, Eintrittspreise und Mietpreise für Einmietungen sind gestiegen. Doch es herrscht die alte Misswirtschaft: verschleppte Wartung und Instandsetzung, hohe Folgekosten, hohe Anwalts- und Gerichtskosten sowie hohe Personalausgaben in der Chefetage.
Vor einigen Jahren sorgte ein Streik der FAU beim Kino Babylon für große Aufmerksamkeit. Warum ruft jetzt Verdi zum Streik auf?
Verdi hätte von sich aus nie zum Streik aufgerufen, wurde aber von den Mitarbeitern dazu gedrängt. Verdi scheint sich seiner unrühm­lichen Rolle beim damaligen Arbeitskampf der FAU schmerzhaft bewusst zu sein und zu versuchen, diesmal alles richtig zu machen. Aber die Zeit drängt. Mehrere Mitarbeiter sind von Kündigung bedroht, andere sind bereits gekündigt.
Die FAU hat kürzlich eine Broschüre zum ersten Arbeitskampf vorgelegt. Wie kommt sie beim aktuellen Streik an?
Die Unterstützung durch die FAU Berlin, die einen öffentlichen Aufruf zur Unterstützung des Streiks verfasste, weckt Hoffnungen. Die Broschüre erinnert an den von heute aus gesehen sehr organisierten und professionellen Arbeitskampf. Einzelne FAU-Mitglieder sind sicher bereit zu helfen, aber ein organisiertes Eingreifen ist ohne Strategie und klaren Kurs von Verdi zurzeit nicht möglich.